Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
gewaltigen Findlings. Ich brach einen Stengel Aloe ab, spaltete ein fleischiges Blatt und verteilte das kühle, grüne Gel auf den Striemen auf Jamies Handfläche.
    »Besser?« fragte ich.
    »Viel besser.« Jamie krümmte die Finger und verzog das Gesicht. »Bei Gott, diese Nesseln brennen!«
    »Wie wahr.« Ich zog den Ausschnitt meines Mieders herunter und beträufelte meine Brust behutsam mit Aloesaft. Die Kühle wirkte sofort lindernd.
    »Ich bin froh, daß du mich nicht beim Wort genommen hast«, sagte ich und warf einen gequälten Blick auf ein Büschel blühender Brennesseln.
    Grinsend tätschelte er meinen Po.
    »Ja, das war knapp, Sassenach. Du solltest mich nicht so in Versuchung führen.« Dann beugte er sich über mich und küßte mich zärtlich.
    »Nein, mo duinne. Ich habe dir einen Eid geleistet, und damit war mir ernst. Niemals werde ich im Zorn die Hand gegen dich erheben. Schließlich«, fügte er etwas leiser hinzu, »habe ich dir genug Schmerzen zugefügt.«
    Ich hätte die qualvolle Erinnerung lieber verdrängt, aber auch ich schuldete ihm Gerechtigkeit.
    »Jamie«, sagte ich mit zitternden Lippen. »Das... Kind. Es war nicht deine Schuld. Zuerst dachte ich, du seist schuld, aber das stimmt nicht. Ich glaube... ich glaube, es wäre auf jeden Fall geschehen, auch wenn du nicht mit Jack Randall gekämpft hättest.«
    »Aye? Wirklich...« Warm und tröstend lag sein Arm auf meiner Schulter. »Das macht es ein bißchen leichter. Obwohl ich weniger an das Kind gedacht habe als an Frank. Glaubst du, du kannst mir das verzeihen?« Mit sorgenvollem Blick sah er mich an.
    »Frank?« rief ich bestürzt. »Aber... da gibt es doch gar nichts zu verzeihen.« Aber möglicherweise wußte Jamie gar nicht, daß Jack
Randall noch lebte, schoß es mir durch den Kopf. Schließlich hatte man ihn unmittelbar nach dem Duell verhaftet. Aber wenn er es nicht wußte... Ich holte tief Luft. Er mußte es ohnehin erfahren, vielleicht besser von mir als von anderen.
    »Du hast Jack Randall nicht getötet, Jamie«, sagte ich.
    Zu meiner Verwirrung war er nach dieser Mitteilung weder entsetzt noch überrascht. Er schüttelte den Kopf. Sein Haar leuchtete in der Sonne. Um es zusammenzubinden, war es noch nicht lang genug, aber im Gefängnis war es ein schönes Stück gewachsen, so daß er es sich ständig aus den Augen streichen mußte.
    »Das weiß ich, Sassenach«, sagte er.
    »Wirklich? Aber... was...« Ich verstand gar nichts mehr.
    »Du... weißt es nicht?« fragte er zögernd.
    Trotz der Sonnenwärme kroch mir ein Kälteschauer über die Arme.
    »Was?«
    Er biß sich auf die Unterlippe und musterte mich widerstrebend. Schließlich seufzte er.
    »Nein, ich habe ihn nicht getötet. Aber verwundet habe ich ihn.«
    »Ja. Louise sagte, du hättest ihn schwer verletzt, aber er sei auf dem Weg der Besserung.« Plötzlich sah ich die letzte Szene im Bois de Boulogne vor mir. Jamies Schwertspitze, die das regenfleckige Rehleder aufschlitzte. Der rote Fleck, der sich auf der Hose ausbreitete... und der Winkel der funkelnden Klinge, als Jamie mit aller Kraft zustieß.
    »Jamie!« rief ich. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Du hast doch nicht... Jamie, was hast du getan?«
    Er schlug die Augen nieder und rieb seine striemige Hand an seinem Kilt. Dann schüttelte er den Kopf, als wunderte er sich über sich selbst.
    »Ich war so ein Narr, Sassenach. Ich konnte es nicht mit meiner Mannesehre vereinbaren, ihn mit dem, was er dem Jungen angetan hatte, ungestraft davonkommen zu lassen, und doch... die ganze Zeit dachte ich bei mir: ›Du darfst den Bastard jetzt nicht umbringen, das hast du versprochen. Du darfst ihn nicht umbringen.‹« Mit einem freudlosen Lächeln besah er die Striemen auf seiner Hand.
    »Mein Zorn kochte über wie ein Topf Porridge auf dem Herd, doch an diesen Gedanken klammerte ich mich. ›Du darfst ihn nicht umbringen.< Und das tat ich auch nicht. Aber ich war rasend vor
Kampfeswut, und das Blut brauste mir in den Ohren... da überlegte ich nicht lange, warum ich ihn nicht töten durfte, nur an mein Versprechen dachte ich. Und als ich ihn da auf dem Boden vor mir hatte, mit der Erinnerung an Wentworth und an Fergus und mit der messerscharfen Klinge in der Hand...« Jäh hielt er inne.
    Mir wurde schwindelig, und ich ließ mich schwer auf einen Felsen fallen.
    »Jamie«, sagte ich. Hilflos zuckte er die Achseln.
    »Sassenach.« Er mied noch immer meinen Blick. »Ich kann nur das eine sagen, es ist eine

Weitere Kostenlose Bücher