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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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der Truppe hier in der Nähe. Und zweitens bist du allein.«
    Der Junge schien verblüfft. »Woher wissen Sie das?«
    Jamie hob die Augenbrauen. »Wahrscheinlich hättest du es nicht gewagt, mich anzugreifen, wenn du nicht gemeint hättest, die Lady und ich seien allein. Wenn jemand bei dir gewesen wäre, der das auch gedacht hätte, wäre er dir sicher zu Hilfe geeilt. Übrigens, ist dein Arm gebrochen? Ich hatte den Eindruck, es hätte gekracht. Wenn du mit anderen gekommen wärst, die gewußt hätten, daß wir nicht allein sind, hätten sie dich sicher daran gehindert, etwas so Törichtes zu tun.« Trotz Jamies Ausführungen sah ich, wie drei der Männer auf ein Zeichen von ihm unauffällig im Wald verschwanden, wohl um nach weiteren ungebetenen Gästen zu fahnden.
    Das Gesicht des Jungen nahm einen trotzigen Ausdruck an, als er hörte, wie seine Aktion als töricht abgetan wurde. Jamie betupfte sich den Hals und betrachtete dann eingehend das Taschentuch.
    »Wenn du jemanden von hinten töten willst, mein Junge, dann such dir nicht jemanden aus, der im trockenen Laub sitzt«, riet er. »Und wenn du jemanden, der größer ist als du, mit dem Messer angreifst, dann suche dir eine sicherere Stelle aus. Eine Kehle kannst du nur dann durchschneiden, wenn dein Opfer stillhält.«
    »Vielen Dank für den freundlichen Ratschlag«, höhnte der Junge. Er bemühte sich redlich, weiterhin tapfer zu wirken, doch
seine Augen wanderten nervös von einem finsteren schnurrbärtigen Gesicht zum nächsten. Keiner der Hochlandschotten hätte am hellichten Tag bei einem Schönheitswettbewerb einen Preis gewonnen, und sie gehörten erst recht nicht zu der Sorte, der man gern in der Dunkelheit begegnete.
    Jamie antwortete höflich: »Bitte sehr, gern geschehen. Nur wirst du leider keine Möglichkeit haben, diesen Ratschlag in die Tat umzusetzen. Weshalb wolltest du mich eigentlich umbringen?«
    Der Junge zögerte einen Augenblick. »Ich wollte die Lady befreien«, antwortete er dann.
    Ein amüsiertes Raunen ging durch die Menge, das durch eine flüchtige Handbewegung Jamies sofort zum Stillstand kam. »Ach so«, sagte er beiläufig. »Du hast uns reden hören und bist zu dem Schluß gekommen, daß die Dame eine Engländerin und von vornehmer Herkunft ist. Wogegen ich...«
    »Wogegen Sie, Sir, ein gewissenloser Verbrecher sind, bekannt als Dieb und Gewalttäter! Ihr Gesicht und eine Beschreibung Ihrer Person findet man in ganz Hampshire und Sussex auf Flugblättern abgedruckt! Ich habe Sie gleich erkannt; Sie sind ein Rebell und ein skrupelloser Lüstling!« Das Gesicht des Jungen war vor Eifer rot geworden.
    Ich biß mir auf die Lippen und blickte zu Boden, um Jamie nicht in die Augen sehen zu müssen.
    »Aye, gut. Wie du meinst«, stimmte Jamie zu. »Wenn dem so ist, kannst du mir vielleicht einen Grund nennen, warum ich dich nicht auf der Stelle umbringen sollte?« Dabei zog er den Dolch und drehte ihn hin und her, so daß die Klinge im Feuerschein blitzte.
    Aus dem Gesicht des Jungen war alles Blut gewichen. Er war kreidebleich, hielt sich jedoch tapfer aufrecht und versuchte, sich aus dem Griff der beiden Männer loszureißen, die ihn am Arm festhielten. »Das habe ich erwartet. Ich bin bereit zu sterben«, sagte er und straffte die Schultern.
    Jamie nickte nachdenklich. Dann beugte er sich nieder und legte seinen Dolch ins Feuer. Um die Klinge, die sofort schwarz anlief, kräuselte sich Rauch, und ein scharfer Geruch stieg auf. Wir alle starrten in stummer Verzauberung in die Flamme, die an der Klinge eine tiefblaue Färbung annahm und das todbringende Metall in der glühenden Hitze zum Leben zu erwecken schien.
    Jamie wickelte das blutbefleckte Taschentuch um seine Hand
und nahm vorsichtig den Dolch aus dem Feuer. Dann schritt er langsam auf den Jungen zu und senkte die Waffe, bis sie wie zufällig das Wams des Jungen berührte. Es roch nach versengtem Stoff, als der Dolch auf dem Wams des Jungen eine Brandspur hinterließ. Jetzt befand sich die Spitze des Dolchs unmittelbar an dem aufwärts gereckten Kinn des Jungen. Ich sah, wie Schweiß den schlanken Hals des Jungen hinunterlief.
    »Aye, leider habe ich nicht vor, dich zu töten - noch nicht.«
    Jamies Stimme war leise und drohend, und durch die Beherrschung, die er sich auferlegte, wirkte sie um so erschreckender.
    »Zu welcher Truppe gehörst du?« Die Frage sauste wie ein Peitschenschlag herab und ließ die Umstehenden förmlich zusammenzucken. Die Spitze des Dolches

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