Die Geliehene Zeit
noch der Heilige Geist entschließt, vom Himmel herabzusteigen.«
Diese gotteslästerliche Bemerkung ließ Mrs. MacPherson vor Schreck erstarren, aber Jenny lachte.
Der Jubel und die Freudenschreie der siegreichen Hochlandschotten übertönten das schwache Stöhnen der Verwundeten, die auf behelfsmäßigen Tragen hergebracht wurden oder, noch häufiger, auf Freunde gestützt herbeihumpelten. Einige der Verwundeten schleppten sich aus eigener Kraft voran, strahlend und siegestrunken. Schmerzen und Wunden schienen da nur eine unbedeutende
Nebensächlichkeit. Trotz der Verwundungen, die sie ans Krankenbett fesselten, war das ganze Haus vom Freudentaumel des Sieges und einer fröhlichen Ausgelassenheit erfüllt.
»O Gott, sie haben sich davongemacht wie Mäuschen, denen die Katze auf den Fersen ist«, sagte ein Verletzter zum anderen. Die schweren Verbrennungen an seinem linken Arm waren für den Augenblick vergessen.
»Und nicht wenige von ihnen haben wirklich den Schwanz verloren«, erwiderte sein Nachbar glucksend.
Doch die Freude war nicht ungeteilt. Hier und da waren auf den Hügeln kleine Grüppchen von Hochlandsoldaten zu sehen, die den leblosen, mit einem Plaid bedeckten Körper eines Freundes trugen.
Dies war die erste Bewährungsprobe für meine Mitarbeiterinnen, und sie trotzten der Herausforderung ebenso tapfer wie die Kämpfer auf dem Schlachtfeld. Sie sträubten sich und jammerten und gingen einander auf die Nerven, doch als es ernst wurde, stürzten sie sich voll Mut und Entschlossenheit in den Kampf.
Nicht, daß sie deshalb aufgehört hätten zu jammern.
Mrs. McMurdo kam mit einer vollen Flasche herein, die sie an den dafür vorgesehenen Nagel an der Wand hängte, und beugte sich dann hinunter zum Zuber, in dem sich die Flaschen mit Honigwasser befanden. Sie war die Frau eines Fischers aus Tranent, den man in die Schlacht geschickt hatte, und sie war zuständig dafür, daß jeder Verwundete so viel von der süßen Flüssigkeit zu sich nahm, wie er konnte. Dann machte sie, mit zwei oder drei leeren Flaschen bewaffnet, einen zweiten Rundgang, um die ausgeschiedene Flüssigkeit wieder einzusammeln.
»Wenn Sie ihnen nicht soviel zu trinken gäben, würden sie nicht soviel pissen«, klagte sie - nicht zum erstenmal.
»Sie brauchen die Flüssigkeit«, erklärte ich geduldig - ebenfalls nicht zum erstenmal. »Dadurch bleibt ihr Blutdruck stabil, und ein Teil des Blutverlustes wird ausgeglichen. Außerdem hilft es, Schock zu vermeiden - schauen Sie, gute Frau, sind Ihnen denn schon viele unter den Händen weggestorben?« fragte ich unwirsch, da mir angesichts der ständigen Zweifel und Klagen Mrs. McMurdos der Kragen platzte. Ihr beinahe zahnloser Mund verlieh ihrem mürrischen Gesicht einen traurigen Zug - es ist sowieso alles verloren, schien es sagen zu wollen; es ist nicht der Mühe wert.
»Mmmpf«, meinte sie nur. Da sie jedoch ihren Rundgang ohne
weitere Proteste wieder aufnahm, deutete ich das als einstweilige Zustimmung.
Ich ging nach draußen, um Mrs. McMurdo und der schlechten Luft in der Kate zu entfliehen. Drinnen war es heiß, es roch nach Rauch und den Ausdünstungen ungewaschener Körper, und mir war ein wenig schwindelig.
Überall auf den Straßen torkelten betrunkene, mit Kriegsbeute beladene Schotten herum, die den Sieg feierten. Eine Gruppe von Männern, die den rötlichen Tartan der MacGillivrays trugen, zogen eine englische Kanone hinter sich her, die sie wie ein wildes Tier mit dicken Seilen umschlungen hatten. Die Kanone war vermutlich eines von General Copes Paradestücken.
Da erkannte ich auch den kleinen Burschen, der rittlings auf dem Kanonenrohr saß und dessen Haar nach allen Seiten abstand. Erleichtert und dankbar schloß ich die Augen, dann lief ich zu ihm hin und zerrte ihn von der Kanone.
»Du Schlingel!« rief ich und rüttelte ihn kräftig, bevor ich ihn in die Arme schloß. »Was fällt dir ein, dich einfach davonzumachen? Wenn ich nicht soviel zu tun hätte, würde ich dich jetzt ohrfeigen, bis dir der Kopf dröhnt!«
»Madame«, sagte er und zwinkerte benommen in die nachmittägliche Sonne. »Madame!«
Da merkte ich, daß er kein Wort von dem verstanden hatte, was ich gesagt hatte. »Geht es dir gut?« fragte ich etwas freundlicher.
Ein Ausdruck der Verwirrung erschien auf seinem Gesicht, das mit Schmutz und Schießpulver verschmiert war. Lächelnd nickte er.
»Ich habe einen englischen Soldaten getötet, Madame.«
»Ach!« Ich fragte mich, ob er sich nun
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