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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Fingern fest und wollte sie wieder zurückhängen, aber ich hinderte ihn daran.
    »Nein, nimm sie nur«, sagte ich. »Du kannst sie draußen ausleeren, und diese kannst du vollmachen.« Ich gab ihm eine zweite graue Steingutflasche, die genauso aussah wie die erste.
    »Paß auf, daß du sie nicht verwechselst«, mahnte ich hilfsbereit.
    »Mmmpf«, war seine Antwort; dabei warf er mir einen typisch schottischen Blick zu und wandte sich zum Gehen.
    »He!« sagte ich, als er mir den Rücken zuwandte. »Was ist denn das?«
    »Was?« fragte er zurück und blickte über seine Schulter.
    »Das da!« Meine Finger betasteten den dunklen Fleck unter seinem herabhängenden Plaid; es war ein Abdruck auf seinem
schmutzigen Hemd. »Es sieht aus wie ein Pferdehuf«, sagte ich ungläubig.
    »Ach, das«, erwiderte er achselzuckend.
    »Dich hat ein Pferd getreten?«
    »Na ja, nicht mit Absicht«, nahm er das Pferd in Schutz. »Pferde treten nicht gerne auf Menschen, vermutlich fühlt sich das unter den Hufen zu wabbelig an.«
    »Vermutlich«, nickte ich und hielt ihn am Ärmel fest, damit er nicht davonlief. »Bleib stehen. Wie um Himmels willen ist das passiert?«
    »Es ist nicht so schlimm«, widersprach er. »Die Rippen sind scheinbar nicht gebrochen, ich habe nur ein paar blaue Flecken.«
    »Ach so, nur ein paar blaue Flecken«, wiederholte ich sarkastisch. Unterdessen hatte ich ihm das schmutzige Hemd abgestreift und sah etwas oberhalb der Hüfte deutlich den Abdruck eines Pferdehufs. »Um Gottes willen, man erkennt ja sogar die Hufnägel.« Er zuckte unwillkürlich zusammen, als ich mit den Fingern über den Abdruck strich.
    Es war während eines Ausfalls der berittenen Dragoner passiert, erklärte er. Die Schotten, die außer an die kleinen zottigen Hochlandponys kaum an Pferde gewöhnt waren, waren überzeugt davon, daß die englischen Kavalleriepferde darauf abgerichtet seien, sie mit Hufen und Zähnen anzugreifen. Beim Angriff der Dragoner gerieten sie in Panik und warfen sich zu Boden, um von unten mit Schwertern und Äxten auf die Beine und den Rumpf der Pferde einzuschlagen.
    »Und du glaubst, sie sind nicht darauf abgerichtet?«
    »Natürlich nicht, Sassenach«, erwiderte er ungeduldig. »Es wollte mich nicht angreifen. Der Reiter wollte sich aus dem Staub machen, aber er war von beiden Seiten eingeschlossen. Das Pferd hatte keine andere Wahl, als mich zu überrennen.«
    In jener Schrecksekunde, bevor der Dragoner seinem Pferd die Sporen gab, hatte Jamie die Geistesgegenwart besessen, sich flach auf das Gesicht zu werfen und die Arme schützend über dem Kopf zu verschränken.
    »Als nächstes merkte ich, wie die Luft aus meinen Lungen gepreßt wurde«, erzählte er weiter. »Ich spürte die Wucht, aber es tat nicht weh. Nicht sofort.« Er streckte seine Hand aus, rieb sich gedankenverloren über die Wunde und schnitt dabei eine Grimasse.
    »Genau«, sagte ich und ließ den Zipfel seines Hemdes sinken. »Hast du seitdem gepinkelt?«
    Er starrte mich an, als wäre ich verrückt geworden.
    »Auf einer deiner Nieren haben vierhundert Pfund Pferd gestanden«, erklärte ich mit leichter Ungeduld. Auch die anderen Verwundeten mußten versorgt werden. »Ich möchte wissen, ob du Blut im Urin hast.«
    »Ach so«, nickte er. »Ich weiß nicht.«
    »Na, dann laß es uns klären.« Ich hatte meinen großen Medizinkasten in eine Ecke gestellt, damit er nicht im Weg war; jetzt öffnete ich ihn und nahm ein kleines gläsernes Urinoskop heraus, das ich aus dem Höpital des Anges mitgebracht hatte.
    »Mach es voll und bring es mir«, sagte ich und reichte es ihm; dann drehte ich mich um und ging zum Feuer, wo ein Kessel voll kochender Leinenstreifen auf mich wartete.
    Als ich mich noch einmal nach ihm umwandte, stand er immer noch da und betrachtete das Gefäß mit leicht belustigtem Blick.
    »Brauchst du Hilfe, Junge? Ein großer englischer Soldat sah von seinem Strohlager am Boden auf und grinste Jamie an.
    Jamie lächelte und entblößte seine weißen Zähne. »Aye«, nickte er. Dann beugte er sich hinunter und hielt dem Engländer das Gefäß hin. »Hier, halt das für mich, während ich ziele.«
    Ein heiteres Lachen - die Männer wurden ein wenig von ihrer Not abgelenkt.
    Nach kurzem Zögern schloß sich die kräftige Faust des Engländers um das zerbrechliche Gefäß. Granatsplitter steckten in seiner Hüfte, und seine Hand zitterte, doch er lächelte, obwohl Schweißperlen auf seiner Oberlippe standen.
    »Sixpence, daß du es

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