Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
meine Helferinnen mit finsterem Blick daran zu erinnern, das gleiche zu tun. Außerdem sorgte ich dafür, daß die Verbände, die wir benutzten, vorher ausgekocht wurden. Ich wußte, daß diese Vorkehrungen in den anderen Katen trotz meiner ständigen Ermahnungen als Zeitverschwendung betrachtet und deshalb nicht getroffen wurden. Wenn ich schon die Schwestern und Ärzte im Höpital des Anges nicht hatte überzeugen können, daß es Keime gibt, wie sollte ich dann auf die Einsicht der einfachen schottischen Landfrauen und der Wundärzte, die nebenberuflich Hufschmied waren, hoffen?
    Ich versuchte, den Gedanken zu verdrängen, daß Männer, die
man hätte heilen können, an einer Infektion starben. Wenigstens bei Jamies Gefolgsleuten und einigen anderen konnte ich dafür sorgen, daß sie mit sauberen Händen und sterilisierten Bandagen behandelt wurden. Mir über die anderen den Kopf zu zerbrechen hatte keinen Sinn. Eins hatte ich auf den Schlachtfeldern von Frankreich gelernt: Die Welt ist nicht zu retten, wohl aber der Mensch, den du vor dir hast, wenn du dich anstrengst.
    Jamie blieb einen Augenblick in der Tür stehen und sah sich um, dann machte er sich daran mitzuhelfen - die Verwundeten zu betten, Kessel mit kochendem Wasser vom Feuer zu heben, sauberes Wasser aus dem Brunnen am Marktplatz zu holen. Der Sorge um ihn enthoben und vollkommen von der Arbeit in Anspruch genommen, dachte ich die meiste Zeit nicht mehr an ihn.
    Ein Feldlazarett besitzt starke Ähnlichkeit mit einem Schlachthof, und auch in diesem Fall war es nicht anders. Der Fußboden bestand aus festgestampfter Erde - gar nicht so schlecht, da Blut und andere Flüssigkeiten schnell aufgesogen wurden. Andererseits verwandelte sich der feuchte Lehm in Matsch, auf dem man leicht ausglitt.
    Aus den Wasserkesseln über dem Feuer stiegen Dampfschwaden auf und machten die Luft noch unerträglicher; uns allen lief der Schweiß herab. Beißender Rauch stieg vom Schlachtfeld auf, drang durch die offenen Türen der Katen herein und verunreinigte die frisch ausgekochten Leintücher, die an einem Gestell hingen, das ursprünglich zum Trocknen von Makrelen vorgesehen war.
    Der Strom der Verwundeten riß nicht ab. Immer wieder schwappte eine neue Welle herein und sorgte für Unruhe und Verwirrung. Wir trotzten dem Ansturm, so gut wir es vermochten, und wenn die Welle abebbte, blieb gleichsam das Strandgut zurück. Doch auch in der größten Betriebsamkeit gibt es Augenblicke der Ruhe, und als es langsam Abend wurde, kamen allmählich weniger Verwundete. Die Versorgung der Kranken, die bei uns blieben, ging jetzt routinierter vonstatten. Nach wie vor gab es viel zu tun, aber es blieb zumindest Zeit, Luft zu schöpfen, einen Augenblick innezuhalten und sich umzusehen.
    Ich stand an der offenen Tür und atmete die frische Meeresbrise ein, als Jamie mit Brennholz im Arm in die Kate zurückkehrte. Er stapelte es neben der Feuerstelle, kam zu mir und legte seine Hand auf meine Schulter.

    »Warst du in den anderen Katen?« fragte ich.
    Er nickte, und langsam wurde sein Atem ruhiger. Er wirkte blaß.
    »Aye. Auf dem Schlachtfeld wird immer noch geplündert, und viele Männer werden noch vermißt. Unsere eigenen Verwundeten sind aber alle hier.« Er nickte zum anderen Ende des Raumes, wo die drei verwundeten Männer aus Lallybroch neben der Feuerstelle lagen oder saßen und mit den anderen Schotten gutmütige Beleidigungen austauschten. Die wenigen englischen Verwundeten in dieser Kate lagen etwas abseits, in der Nähe der Tür. Sie waren wortkarg und sinnierten über die trübe Aussicht der Kriegsgefangenschaft, die ihnen bevorstand.
    »Geht es ihnen gut?« fragte er mit einem Blick auf die drei.
    Ich nickte. »Es könnte sein, daß George McClure sein Ohr verliert, aber das kann ich jetzt noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber, ja, ich denke, es geht ihnen gut.«
    »Gut.« Er lächelte mir müde zu und wischte sich das erhitzte Gesicht mit einem Zipfel seines Plaids ab. Er hatte sich das Plaid achtlos um den Körper geschlungen, statt es über eine Schulter zu drapieren. Wohl, damit es ihn nicht störte, aber es mußte warm sein.
    Im Gehen griff er nach der Wasserflasche, die an einem Nagel über der Tür hing.
    »Die nicht!« sagte ich.
    »Weshalb nicht?« fragte er erstaunt. Er schüttelte sie, und es war ein schwappendes Geräusch zu hören. »Sie ist voll.«
    »Das weiß ich«, sagte ich. »Ich habe sie als Urinflasche benutzt.«
    »Oh.« Er hielt sie mit spitzen

Weitere Kostenlose Bücher