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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Kopftuch wirre Haarsträhnen hervorhingen.
    »Madame Fräser«, sagte er und verneigte sich elegant.
    »Eure Hoheit.« Ich machte einen Knicks und hoffte, daß er nicht vorhatte, lange zu bleiben.
    »Wir wissen Ihre Bemühungen für uns zu schätzen, Madame«, sagte er in einem Tonfall, der seinen italienischen Akzent stärker als gewöhnlich zur Geltung brachte.

    »Vielen Dank«, erwiderte ich. »Vorsicht, der Boden ist blutgetränkt, und man rutscht leicht aus.«
    Sein feiner Mund straffte sich leicht, als er die Blutlache umrundete, auf die ich gedeutet hatte. Da der Weg nun frei war, traten jetzt auch Sheridan, O’Sullivan und Lord Balmerino in den überfüllten Raum. Nachdem Charles der Höflichkeit Genüge getan hatte, bückte er sich hinunter zu den Strohlagern.
    Er legte einem Mann die Hand auf die Schulter.
    »Wie heißen Sie, tapferer Kamerad?«
    »Gilbert Munro... ähm, Euer Hoheit«, stotterte der Mann ehrfürchtig.
    Mit seinen manikürten Fingern berührte der Prinz die Holzschiene und den Verband von Gilbert Munros rechtem Arm, an dem die Hand fehlte.
    »Sie haben ein großes Opfer gebracht, Gilbert Munro«, sagte Charles. »Ich verspreche Ihnen, es wird nicht vergessen werden.« Seine Hand strich über das schnurrbärtige Gesicht, und Munro errötete vor Schüchternheit und Freude.
    Ich behandelte eben einen Mann mit einer Wunde am Kopf, die genäht werden mußte, doch aus den Augenwinkeln heraus konnte ich Charles bei seinem Rundgang beobachten. Er schritt langsam von Lager zu Lager, ließ keinen aus, fragte jeden nach seinem Namen und seiner Herkunft, dankte und drückte sein Mitgefühl, seine Glückwünsche und sein Bedauern aus.
    Die Männer, die Engländer wie die Hochlandschotten, waren vor Ergriffenheit ganz stumm und stammelten nur verlegene Antworten auf die freundlichen Fragen Seiner Hoheit. Schließlich erhob sich Charles mit einem deutlich vernehmbaren Knacken seiner Kniebänder. Ein Zipfel seines Plaids schleifte auf dem Boden, aber er schien es nicht zu bemerken.
    »Ich bringe euch den Segen und den Dank meines Vaters«, sagte er. »Eure Taten an diesem heutigen Tag werden niemals vergessen sein.« Die Männer am Boden hatten gewiß keinen Grund zur Euphorie, aber viele lächelten, und alle brachten murmelnd ihre Freude zum Ausdruck.
    Als Charles sich bereits zum Gehen wandte, erblickte er Jamie, der sich in eine Ecke gedrückt hatte, damit Sheridan ihm mit seinen schweren Stiefeln nicht auf die Zehen trat. Über das Gesicht Seiner Hoheit huschte ein freudiges Lächeln.

    »Mon cher! Ich habe Sie heute noch gar nicht gesehen. Ich befürchtete schon, es sei Ihnen etwas zugestoßen.« Vorwurfsvoll verzog er sein Gesicht. »Weshalb sind Sie nicht mit den anderen Offizieren zum Abendessen ins Pfarrhaus gekommen?«
    Jamie lächelte und verbeugte sich ehrerbietig.
    »Meine Männer sind hier, Hoheit.«
    Der Prinz zog die Augenbrauen hoch und öffnete den Mund, doch noch ehe er etwas sagen konnte, trat Lord Balmerino auf ihn zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Auf Charles’ Gesicht zeigte sich ein Ausdruck der Besorgnis.
    »Was höre ich da?« sagte er zu Jamie. »Seine Lordschaft sagt mir gerade, Sie selbst sind verwundet?«
    Jamie blickte verlegen drein. Rasch warf er mir einen Blick zu, ob ich zugehört hatte, und sah dann wieder den Prinzen an.
    »Es ist nichts, Hoheit. Nur ein Kratzer.«
    »Zeigen Sie es mir.« Das waren schlichte Worte, doch es war unmißverständlich ein Befehl, und Jamie streifte sein Plaid ab.
    Sein dunkler Tartan war auf der Innenseite beinahe schwarz. Von der Achselhöhle bis zur Hüfte war sein Hemd voll Blut, das an einigen Stellen bereits zu braunen Flecken getrocknet war.
    Ich wandte mich von meinem Patienten ab, ging zu Jamie und half ihm, sein Hemd abzustreifen. Obwohl er viel Blut verloren hatte, wußte ich, daß es keine ernste Verletzung war. Er stand fest auf den Beinen, und die Blutung war zum Stillstand gekommen.
    Es war ein Säbelhieb quer über die Rippen. Er hatte Glück gehabt, daß der Säbel nicht im rechten Winkel ins Fleisch gedrungen war. So hatte er nur eine etwa zwanzig Zentimeter lange Wunde davongetragen, aus der Blut sickerte, sobald man sie drückte. Sie mußte mit mehreren Stichen genäht werden, doch abgesehen von der Infektionsgefahr war es nichts Ernstes.
    Dies wollte ich Seiner Hoheit eben mitteilen, doch als ich seinen seltsamen Gesichtsausdruck sah, hielt ich inne. Den Bruchteil einer Sekunde lang dachte ich, Charles stünde unter

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