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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Clanranald und Keppoch. Aber die haben sich Euch bereits angeschlossen. Und warum um alles in der Welt...«
    »Er ist der Meinung, Sie kennen ihn«, unterbrach mich der Prinz. Er hatte seine Hände fest verschränkt, offensichtlich, um sich zu zwingen, in höflichem Ton fortzufahren. »Es ist wichtig - äußerst wichtig, Madame, daß er davon überzeugt wird, sich mir anzuschließen. Ich brauche... ich erbitte... Ihre Hilfe... Sie müssen ihn überzeugen.«
    Nachdenklich rieb ich mir die Nase und sah ihn an. Wieder eine Entscheidung. Wieder eine Gelegenheit, den Gang der Dinge zu lenken. Und wieder wußte ich nicht, was das Beste war.
    Er hatte recht; es war wichtig, diesen Clanführer dazu zu bringen, seine Mittel in den Dienst der jakobitischen Sache zu stellen. Mit den Camerons, den MacDonalds und all den anderen war die
jakobitische Armee kaum zweitausend Mann stark, und dazu der chaotischste Haufen, den ein General je zu befehligen hatte. Dennoch hatten sie Edinburgh erobert, bei Preston eine weit überlegene englische Armee in die Flucht geschlagen und schienen durchaus bereit und willens, so weiterzumachen.
    Wir hatten Charles nicht aufhalten können. Vielleicht konnten wir ja, wie Jamie sagte, die Katastrophe nur noch vermeiden, indem wir ihm mit allen Mitteln halfen. Wenn sich ein weiterer bedeutender Clan anschloß, könnte das andere Clans dazu veranlassen, dasselbe zu tun. Dies konnte ein Wendepunkt sein, und die jakobitische Streitmacht würde zu einer richtigen Armee anwachsen, die zu einer Invasion Englands imstande war. Und dann, was zum Teufel würde dann geschehen?
    Ich seufzte. Wie auch immer ich mich entschied, ich konnte eine Entscheidung nur dann treffen, wenn ich dem geheimnisvollen Fremden gegenüberstand. Ich sah an mir hinunter, um zu prüfen, ob ich in meinem Kleid einem Clanoberhaupt gegenübertreten konnte, gleichgültig, an welchem Gebrechen er litt. Dann stand ich auf und klemmte meinen Medizinkasten unter den Arm.
    »Ich will es versuchen, Eure Hoheit«, sagte ich.
    Seine verkrampften Hände lösten sich und ließen seine zerbissenen Fingernägel sehen. Auch seine Gesichtszüge entspannten sich.
    »Ah, gut«, erwiderte er. Dann wandte er sich zu der Tür, die zum größeren Nachmittagssalon führte. »Kommen Sie, ich bringe Sie selbst hin.«
     
    Der Wachposten an der Tür sprang überrascht zur Seite, als Charles schwungvoll die Tür öffnete und, ohne ihn anzusehen, an ihm vorbeieilte. Am anderen Ende des langen, mit Gobelins geschmückten Raumes befand sich ein großer Marmorkamin mit weißen Delfter Fliesen, auf denen in Blau und Dunkelviolett holländische Genreszenen dargestellt waren. Neben dem kleinen Sofa, das vor den Kamin gerückt worden war, stand ein großer, breitschultriger Mann in Hochlandtracht. In einem weniger großen Raum wäre er als ein wahrer Riese erschienen; seine Beine in den karierten Strümpfen unter dem Kilt waren kräftig wie Baumstämme. Doch in diesem Zimmer mit der hohen Stuckdecke wirkte er einfach nur groß - er paßte gut zu den heroischen Sagengestalten, die die Gobelins an den Wänden bevölkerten.

    Ich zuckte zusammen, als ich den hünenhaften Besucher erkannte. Charles war weitergegangen, sah sich jetzt ungeduldig nach mir um und machte mir ein Zeichen, ihm zu folgen. Ich nickte dem Riesen zu. Dann umrundete ich zögernd das Sofa und erblickte den Mann, der darauf lag.
    Er lächelte schwach, als er mich sah, und in den taubengrauen Augen lag ein Ausdruck der Belustigung.
    »Ja«, sagte er, auf meine Verblüffung anspielend. »Auch ich hätte nicht gedacht, dich jemals wiederzusehen. Man könnte glauben, es sei Schicksal.« Er wandte den Kopf und gab seinem hünenhaften Leibwächter ein Zeichen.
    »Angus, hol doch einen Tropfen Weinbrand für Mistress Claire! Ich fürchte, unser Wiedersehen hat sie etwas aus der Fassung gebracht.«
    Das war milde ausgedrückt. Ich ließ mich in einen Stuhl sinken und nahm das Kristallglas, das mir Angus Mhor entgegenstreckte.
    Colum MacKenzies Blick hatte sich ebensowenig verändert wie seine Stimme. In ihnen offenbarte sich der Charakter des Mannes, der mehr als dreißig Jahre lang den MacKenzie-Clan geführt hatte, ungeachtet seiner Krankheit, die ihn schon als Jüngling zum Krüppel gemacht hatte. Im übrigen hatte er sich zu seinem Nachteil verändert. Die schwarzen Haare waren stark ergraut, seine Gesichtszüge waren zerfurcht, die Haut schlaff. Auch die ehemals breite Brust war eingesunken, die mächtigen

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