Die Geliehene Zeit
es dir ausgerichtet. Und wer, wenn ich fragen darf?«
»Laoghaire.« Noch immer konnte ich den Zorn nicht zügeln, der beim Klang dieses Namens in mir aufstieg. Aus Eifersucht, weil ich Jamie geheiratet hatte, hatte das Mädchen versucht, mich in den Tod zu schicken. Ziemlich bösartig für ein sechzehnjähriges Mädchen. Und auch jetzt noch mischte sich in meinen Zorn ein winziger Funken grimmiger Befriedigung. Er ist mein, dachte ich beinahe unwillkürlich. Mein. Du wirst ihn mir nie wegnehmen können. Niemals.
»Aha«, sagte Colum erneut und blickte mich an. »Das habe ich mir gedacht. Und«, fuhr er fort und zog eine Augenbraue hoch, »wenn eine bloße Entschuldigung dir unzulänglich erscheint, möchtest du vielleicht statt dessen Rache nehmen?«
»Rache?« Ich muß verblüfft dreingesehen haben, denn er verzog das Gesicht zu einem freudlosen Lächeln.
»Aye. Das Mädchen hat vor sechs Monaten geheiratet, Hugh MacKenzie von Muldaur, einen meiner Clansmänner. Er wird mit ihr machen, was ich befehle, wenn du möchtest, daß sie bestraft wird. Was soll ich also tun?«
Sein Angebot verblüffte mich wirklich. Er drängte mich nicht zu einer Antwort. Angus Mhor hatte ihm Weinbrand nachgeschenkt, an dem er jetzt nippte. Colum sah mich nicht an, aber ich stand auf und ging zum Fenster, um einen Augenblick allein zu sein.
Die Wände hier waren anderthalb Meter dick, und wenn ich mich nach vorne in die tiefe Fensterlaibung lehnte, war ich ungestört. Das helle Sonnenlicht beschien meine Arme mit ihrem blonden Flaum. Ich dachte an das Diebesloch, das feuchte, stinkende Verlies, an den schmalen Streifen Sonnenlicht, der durch die Öffnung von oben hereingedrungen war und den Eindruck, sich in einer Gruft zu befinden, nur noch verstärkt hatte. Am dritten Tag hatte der Prozeß stattgefunden. Schamerfüllt und voller Angst hatte ich unter dem bewölkten Herbsthimmel gestanden. Ich war in Colums Falle geraten, auf einen Satz vom Mädchen Laoghaire hin.
Laoghaire. Helle Haut, blaue Augen, ein rundes hübsches Gesicht, nicht viel anders als die anderen Mädchen von Leoch. Ich hatte viel über sie nachgedacht - im Verlies mit Geillis Duncan. Dort hatte ich Zeit, über vieles nachzudenken. Aber so wütend und voller Angst ich auch gewesen war, weder damals noch heute gelang es mir, sie als Verkörperung des Bösen zu sehen.
»Sie war doch erst sechzehn, um Himmels willen!«
»Alt genug, um heiraten zu können«, ertönte eine hämische Stimme hinter mir, und erst jetzt merkte ich, daß ich laut gesprochen hatte.
»Ja, sie wollte Jamie«, sagte ich und wandte mich um. Colum saß auf dem Sofa, die kurzen Beine mit einer Decke bedeckt. Angus Mhor stand unbeweglich hinter seinem Herrn und blickte auf ihn hinunter. »Vielleicht hat sie geglaubt, ihn zu lieben.«
Unten im Hof wurde exerziert. Rufe und Waffengeklirr drangen herauf. Schwerter, Musketen und die Messingbeschläge der Tartschen glitzerten in der Sonne - und mittendrin Jamies rotgoldener Haarschopf. Jamie wischte sich mit der Hand über das vor Anstrengung gerötete Gesicht und lachte über eine Bemerkung Murtaghs.
Vielleicht tat ich Laoghaire Unrecht, wenn ich annahm, ihre Gefühle für Jamie seien schwächer als die meinen. Ob sie aus unreifer Boshaftigkeit oder aus wahrer Leidenschaft gehandelt hatte, wußte ich nicht. Jedenfalls war sie gescheitert. Ich lebte. Und Jamie war mein. Jetzt gerade zog er seinen Kilt hoch und kratzte sich am Hintern. Ich lächelte und setzte mich wieder zu Colum.
»Ich wähle die Entschuldigung«, sagte ich.
Er nickte, und seine grauen Augen blickten nachdenklich.
»Du glaubst also an Gnade, Mistress?«
»Eher an Gerechtigkeit«, gab ich zurück. »Apropos, ich kann mir nicht vorstellen, daß du dich auf den langen Weg von Leoch nach Edinburgh gemacht hast, nur um dich bei mir zu entschuldigen. Es muß eine höllisch anstrengende Reise gewesen sein.«
»Aye, das kann man wohl sagen.« Angus Mhor beugte sich nach vorn, doch Colum hob abwehrend die Hand - wie um zu sagen: Alles in Ordnung, mir geht es gut im Augenblick.
»Nein«, fuhr Colum fort. »Daß du in Edinburgh bist, habe ich erst erfahren, als Seine Hoheit Jamie Fraser erwähnte, und dann habe ich nach dir gefragt.« Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. »Seine Hoheit ist nicht allzu begeistert von dir, Nichte. Aber vermutlich weißt du das ja schon.«
Ich reagierte nicht auf diese Bemerkung. »Du überlegst dir also ernsthaft, dich Prinz Charles
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