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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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besaß wenig Ähnlichkeit mit dem wirklichen Charles, doch die dargestellte Person sah in der Tat infam und höchst gefährlich aus, was ja wohl Sinn und Zweck der Übung war.
    »Dieses hier ist noch einigermaßen harmlos«, meinte Balmerino und sah mir über die Schulter. »Die anderen aber sind außerordentlich phantasievoll, dazu noch ausgesprochen perfide. Dies hier zum Beispiel, das bin ich«, sagte er und deutete mit sichtlichem Vergnügen auf ein Blatt.
    Das Flugblatt zeigte einen hageren Hochlandschotten mit dikkem Schnurrbart, buschigen Brauen und Augen, die wild unter einer schottischen Mütze hervorblitzten. Ich sah Lord Balmerino prüfend von der Seite an. Er trug, wie es seine Gewohnheit war, eine Kniehose und einen Rock aus feinstem Tuch, doch dezent in Farbe und Schnitt, um seine kleine rundliche Gestalt vorteilhaft zur Geltung zu bringen. Er blickte auf das Flugblatt und rieb sich dabei nachdenklich die vollen, glattrasierten Wangen.

    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Der Schnurrbart verleiht mir einen äußerst romantischen Zug, nicht wahr? Trotzdem, ein Bart juckt so teuflisch. Ich glaube nicht, daß ich jemals einen tragen könnte, auch wenn er mir noch so gut zu Gesicht stünde.«
    Ich nahm das nächste Blatt zur Hand und hätte dabei fast den ganzen Stapel fallen lassen.
    »Bei der Wiedergabe Ihres Mannes haben sie sich etwas mehr angestrengt«, bemerkte Lord Balmerino, »aber schließlich sieht unser lieber Jamie ja auch ein bißchen so aus, wie sich der gemeine Engländer einen Schurken aus dem Hochland vorstellt - Verzeihung, meine Liebe, es war nicht böse gemeint. Er ist doch wirklich groß, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte ich mit leiser Stimme und überflog den Text.
    »Sie haben bestimmt noch nicht gewußt, daß Ihr Mann kleine Kinder auf dem Feuer röstet und verschlingt, stimmt’s?« gluckste Lord Balmerino. »Ich hatte schon immer den Verdacht, daß sein hoher Wuchs auf eine ganz besondere Ernährung zurückzuführen ist.«
    Die respektlosen Bemerkungen des kleinen Lord munterten mich auf. Ich konnte beinahe selbst über die lächerlichen Vorwürfe und Bilder schmunzeln, obwohl ich mich fragte, ob die Leser diese Verleumdungen für bare Münze nahmen. Größtenteils wohl schon, fürchtete ich. Häufig waren Menschen nicht nur bereit, sondern sogar erpicht darauf, das Schlimmste zu glauben - und je schlimmer das war, desto besser.
    »Das unterste ist ganz besonders interessant für Sie«, unterbrach Balmerino meine Gedanken und zeigte mir das letzte Blatt.
    »DIE HEXE DER STUARTS«, lautete die Überschrift. Eine Frau mit langer Nase starrte mich aus winzigen Pupillen an, darunter stand ein Text, in dem Charles Stuart beschuldigt wurde, zur Unterstützung seiner ungerechten Sache die »Mächte der Finsternis« angerufen zu haben. Wie es hieß, führte er in seinem engsten Gefolge eine berüchtigte Hexe mit, die über Leben und Tod der Menschen entschied, Ernten vernichtete, den Milchfluß von Kühen versiegen ließ und Menschen mit Blindheit schlug. Damit liege auf der Hand, daß Charles seine Seele dem Teufel verkauft habe und dafür, so schloß der Text hämisch, müsse er »auf ewig in der Hölle schmoren«.
    »Ich nehme an, damit sind Sie gemeint«, sagte Balmerino. »Ich
versichere Ihnen aber, daß das Bild keinerlei Ähnlichkeit mit Ihnen hat.«
    »Sehr amüsant«, erwiderte ich. Ich reichte ihm den Stapel zurück und unterdrückte das Verlangen, mir die Hände an meinem Rock abzuwischen. Eine leichte Übelkeit überkam mich, doch ich bemühte mich, Balmerino anzulächeln. Er blickte mich forschend an, dann drückte er beschwichtigend meinen Ellbogen.
    »Beunruhigen Sie sich nicht, meine Liebe«, sagte er. »Wenn Seine Majestät erst die Krone wiedererlangt hat, wird dieser ganze Unsinn im Handumdrehen vergessen sein. In den Augen des Volkes ist der Schuft von heute der Held von morgen, das habe ich immer wieder erlebt.«
    »Plus ça change, plus c’est la même chose «, murmelte ich. Und wenn Seine Majestät König James die Krone nicht zurückeroberte...
    »Und falls durch ein unglückliches Geschick unsere Bemühungen erfolglos sein sollten«, fuhr Balmerino fort und sprach damit aus, was ich dachte, »wird der Inhalt dieser Flugblätter das letzte sein, worüber wir uns den Kopf zerbrechen müssen.«
     
    » En garde.«
    Mit diesem Eröffnungssatz nahm Dougal die klassische Fechtstellung ein. Er stand seinem Kontrahenten seitlich gegenüber, den Arm, der das Schwert führte,

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