Die Geliehene Zeit
leicht angewinkelt, den anderen in einem anmutigen Bogen angehoben, die Hand offen zum Zeichen, daß er nicht heimlich einen Dolch bei sich trug.
Jamies Schwert kreuzte Dougals, ein feines Klirren war zu hören.
»Je suis prest.« Jamie fing meinen Blick auf, und ich bemerkte den Schalk in seinen Augen. Die traditionelle Antwort des Fechters im Duell war gleichzeitig das Motto seines Clans: Je suis prest - »Ich bin bereit«.
Schritt, Ausfall mit dem Schwert, ein Gegenstoß, bei dem die Klingen aneinander klirrten. Die beiden Schwerter verharrten nur eine Sekunde lang in dieser Position, dann traten die Fechtkämpfer einen Schritt zurück, schossen herum und gingen erneut zum Angriff über.
Ein Klirren und ein Stoß, Terzparade und Ausfall, und Jamie traf beinahe Dougals Hüfte und wich mit einem Sprung zur Seite
aus, so daß sich sein grüner Kilt bauschte. Parade, ein Sprung zur Seite, ein rascher Aufwärtsstoß, mit dem die gefährliche Klinge abgewehrt wurde, dann griff Dougal wieder an und zwang Jamie einen Schritt zurück.
Ich konnte Don Francisco beobachten, der mit Charles, Sheridan, dem alten Tullibardine und einigen anderen auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes stand. Seine Lippen unter dem schmalen gewachsten Schnurrbart hatten sich zu einem leichten Lächeln verzogen, doch ich konnte nicht feststellen, ob es Bewunderung für die Fechter war oder nur eine Variation seines hochnäsigen Gesichtsausdruckes. Colum war nirgends zu sehen. Das überraschte mich nicht; die Reise nach Edinburgh mußte ihn sehr erschöpft haben.
Onkel und Neffe, beide begabte Fechter, beide Linkshänder, lieferten eine überzeugende Probe ihres Könnens. Besonders beeindruckend war, daß sie nach den strengen Regeln des französischen Duells kämpften, jedoch weder das rapierähnliche Florett noch den Soldatensäbel verwendeten, sondern das Breitschwert des Hochlands mit einer flachen, einen Meter langen Klinge, mit der man einem Menschen ohne weiteres den Kopf abschlagen konnte. Sie handhabten die gewaltigen Waffen mit einer Leichtigkeit und Eleganz, wie kleinere Männer es nicht zustande gebracht hätten.
Charles murmelte Don Francisco etwas ins Ohr, und der Spanier nickte, ohne seinen Blick von dem Schauspiel abzuwenden. Jamie und sein Onkel waren sich als Gegner ebenbürtig und erweckten durchaus den Eindruck, einander töten zu wollen. Dougal hatte Jamie in der Kunst des Schwertkampfs unterrichtet, und sie hatten schon viele Male Rücken an Rücken und Schulter an Schulter gekämpft. Jeder kannte den Fechtstil des anderen so gut wie seinen eigenen - das hoffte ich jedenfalls.
Dougal nutzte seinen Vorteil mit einem doppelten Ausfall und zwang Jamie, bis an den Rand des Hofes zurückzuweichen. Er sprang zur Seite und wehrte Dougals Schwert mit einem Hieb ab, dann stieß er blitzschnell zu und streifte dabei mit der Klinge Dougals rechten Ärmel. Der Stoff riß - und ein Fetzen weißen Leinens flatterte im leichten Wind.
»Oh, hübsch pariert, Sir!« Ich wandte mich um, um zu sehen, wer gesprochen hatte - es war Lord Kilmarnock, der hinter mir stand, ein ernster, unscheinbarer Mann Anfang Dreißig. Er und
sein kleiner Sohn Johnny waren ebenfalls im Gästeflügel von Holyrood untergebracht.
Der Sohn folgte seinem Vater meist auf den Fersen, ich mußte also nicht lange nach ihm suchen. Er stand neben seinem Vater und verfolgte mit offenem Mund den Schwertkampf. Da nahm ich plötzlich eine Bewegung hinter einer Säule wahr: Fergus, dessen schwarze Augen unverwandt auf Johnny gerichtet waren. Ich runzelte die Stirn und warf ihm einen drohenden Blick zu.
Johnny, der sich seiner Stellung als Erbe von Kilmarnock und mehr noch seines Privilegs, im Alter von zwölf Jahren mit seinem Vater in den Krieg ziehen zu dürfen, überaus bewußt war, spielte sich in Gesellschaft Gleichaltriger gerne auf. Die meisten gingen Johnny deshalb entweder aus dem Weg oder warteten auf den Augenblick, wo er aus dem schützenden Schatten seines Vaters heraustreten würde.
Fergus zählte zweifellos zur zweiten Gruppe. Er nahm Anstoß an Johnnys abschätziger Bemerkung über die »Gutsherren mit Schottenmütze«, die er - ganz zu Recht - als Beleidigung Jamies auffaßte. Vor ein paar Tagen hatte man Fergus mit Gewalt daran gehindert, Johnny im Steingarten anzugreifen. Jamie hatte ihn sogleich bestraft und ihm erklärt, Treue sei zwar eine bewundernswerte Tugend, die er sehr zu schätzen wisse, Dummheit sei jedoch unverzeihlich.
»Der Junge
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