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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Hughs Stiefsohn um. Jamie drückte den Jungen an seine Brust und klopfte ihm auf den Rücken. Dann hielt er ihn ein Stück von sich weg und sagte etwas, wobei er ihn aufmerksam ansah. Jamies Worte verstand ich nicht, aber nach einer Weile faßte sich der Junge und nickte. Auch Jamie nickte, und mit einem letzten Klaps auf die Schulter führte er ihn zu den Pferden, wo ihm George McClure bereits die Hand entgegenstreckte. Dann kam Jamie mit gesenktem Kopf zu uns; das lose Ende seines Plaids ließ er trotz Kälte und Regen im Wind flattern.

    Geordie spuckte auf den Boden. »Armes Schwein«, murmelte er, ohne zu erklären, wen er meinte, und schwang sich in den Sattel.
    An der südöstlichen Ecke des Parks machten wir halt. Die Pferde stampften und scheuten, während zwei der Männer zwischen den Bäumen verschwanden. Es konnten nicht mehr als zwanzig Minuten vergangen sein, bis sie zurückkamen, doch die Zeit kam uns endlos vor.
    Die Männer saßen nun zu zweit auf einem Pferd, das andere trug quer über dem Sattel eine leblose Gestalt, die in ein Fraserplaid gehüllt war. Den Pferden behagte das nicht. Meins warf den Kopf hoch und blähte die Nüstern, als das Tier mit Hughs Leichnam vorbeitrabte. Doch Jamie riß am Zügel, fluchte auf gälisch, und das Tier fügte sich.
    Ich spürte, wie sich Jamie hinter mir in den Steigbügeln aufstellte und sich umsah, als wollte er seine verbliebenen Gefolgsleute zählen. Dann legte er mir den Arm um die Taille, und wir schlugen den Weg nach Norden ein.
     
    Wir ritten fast die ganze Nacht hindurch. Während einer kurzen Rast zog mich Jamie unter den schützenden Zweigen einer Kastanie an sich, zögerte aber plötzlich.
    »Was ist?« fragte ich lächelnd. »Hast du Angst, deine Frau vor deinen Männern zu küssen?«
    »Nein.« Er bewies mir seine Furchtlosigkeit, dann lächelte er mich an. »Nein, mich überkam nur die Angst, daß du anfängst zu schreien und mir das Gesicht zerkratzt.« Er betastete vorsichtig die Spuren, die Marys Fingernägel hinterlassen hatten.
    »Du Armer«, sagte ich lachend. Nicht der Willkommensgruß, auf den du dich gefreut hattest, oder?«
    »Ich hab’ mir nichts Besseres mehr erhofft«, meinte er grinsend. Er hatte zwei Würste von Murtaghs Kette abgeschnitten und reichte mir eine.
    »Was meinst du damit? Hast du gedacht, ich würde dich nach einer Woche schon nicht mehr wiedererkennen?«
    Immer noch lächelnd schüttelte er den Kopf.
    »Nein. Aber als ich ins Haus kam, wußte ich mehr oder weniger, wo du bist, wegen der vergitterten Fenster.« Er zog eine Braue hoch. »So wie die aussahen, mußt du einen teuflischen Eindruck auf Seine Hoheit gemacht haben.«

    »Das habe ich auch«, erwiderte ich knapp. An den Herzog wollte ich jetzt keinen Gedanken verschwenden. »Erzähl weiter.«
    »Na«, meinte er und schob den nächsten Bissen in den Mund, »ich kannte das Zimmer, aber ich brauchte den Schlüssel, nicht wahr?«
    »Genau«, bestätigte ich. »Und das wolltest du mir erzählen.«
    Er kaute kurz und schluckte.
    »Den hat mir die Haushälterin gegeben, allerdings nicht ganz freiwillig.« Er rieb sich behutsam den Unterleib. »Allem Anschein nach ist die Frau schon öfter nachts im Bett gestört worden - und es hat ihr nicht gefallen.«
    »O ja.« Amüsiert stellte ich mir die Szene vor. »Wahrscheinlich hat sie dich für eine erfrischende Abwechslung gehalten.«
    »Das wage ich zu bezweifeln, Sassenach. Sie kreischte wie eine Todesfee und stieß mir das Knie in den Unterleib, und während ich mich vor Schmerz krümmte, hätte sie mir beinah mit dem Kerzenleuchter den Schädel eingeschlagen.«
    »Und was hast du gemacht?«
    »Ich habe sie niedergeschlagen - in dem Augenblick war mir nicht gerade ritterlich zumute - und sie mit den Bändern ihrer Nachthaube gefesselt. Dann habe ich ihr ein Handtuch in den Mund gestopft, damit sie endlich aufhörte, mir Schimpfnamen an den Kopf zu werfen, und ihr Zimmer durchsucht, bis ich die Schlüssel gefunden hatte.«
    »Gut gemacht.« Doch da fiel mir etwas ein. »Aber woher wußtest du, wo die Haushälterin schläft?«
    »Das hat mir die Wäscherin erzählt«, meinte er gelassen, »aber erst mußte ich ihr erklären, wer ich bin, und ihr androhen, sie auszuweiden und am Spieß zu braten, wenn sie mir nicht sagte, was ich wissen wollte.« Er lächelte gequält. »Ich hab’s dir gesagt, Sassenach, es hat seine Vorteile, wenn einem der Ruf eines Barbaren vorauseilt. Vermutlich haben inzwischen alle vom roten

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