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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Jamie Fraser gehört.«
    »Und wer den Namen noch nicht kennt, wird ihn demnächst kennenlernen.« Ich musterte ihn, so gut es im Halbdunkel ging. »Und bei der Wäscherin bist du ungeschoren davongekommen?«
    »Sie hat mich an den Haaren gezogen«, meinte er nachdenklich, »und mir ein Büschel ausgerissen. Eins sage ich dir, Sassenach, wenn ich je den Beruf wechseln muß, dann werde ich mich hüten,
Frauen auszurauben - sich damit den Lebensunterhalt zu verdienen ist verdammt hart.«
     
    Gegen Morgen setzte heftiger Schneeregen ein, aber wir ritten noch eine Weile, ehe Ewan Gibson sein Pony zügelte und sich schwerfällig in den Steigbügeln aufstellte, um Ausschau zu halten. Dann deutete er auf einen Hügel, der sich zur Linken erhob.
    Da es immer noch dunkel war, mußten wir absitzen und die Pferde den fast unsichtbaren Pfad hinaufführen, der sich durch Heidekraut und Granitfelsen wand. Als wir auf dem Gipfel angelangt waren und verschnauften, wurde es hell. Beim Abstieg konnte ich nun wenigstens die Rinnsale sehen und den Fußangeln in Gestalt von Brombeerranken ausweichen.
    In dem kleinen Talkessel am Fuße des Hügels standen sechs Häuser - obwohl »Haus« nicht das rechte Wort war für die armseligen Hütten, die sich dort unter den Lärchen duckten. Die strohgedeckten Dächer waren so tief hinuntergezogen, daß von den Mauern kaum noch etwas zu sehen war.
    Vor einer Hütte machten wir halt. Ewan sah Jamie zögernd an, und als dieser nickte, verschwand er unter dem niedrigen Türbalken der Behausung. Ich trat zu Jamie und legte meine Hand auf seinen Arm.
    »Das ist Hugh Munros Haus«, sagte er leise. »Ich habe ihn heimgebracht zu seiner Frau. Der Junge sagt es ihr.«
    Ich blickte erst auf den dunklen, niedrigen Eingang der Hütte und dann auf den schlaffen Körper unter dem Plaid, den zwei der Männer losbanden. Jamies Arm zitterte, er schloß kurz die Augen, und seine Lippen bewegten sich. Dann trat er vor und nahm die Last mit ausgestreckten Armen entgegen. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht und folgte ihm gebückt durch die niedrige Tür.
    Es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte, aber immer noch schlimm genug. Hughs Witwe lauschte schweigend und mit gesenktem Haupt Jamies gälischen Beileidsworten, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Zögernd streckte sie die Hand nach dem Plaid aus, als wollte sie es wegziehen, aber dann verließ sie der Mut. Unbeholfen ruhte ihre Hand auf dem Leichentuch, während sie mit der anderen ein kleines Kind an sich zog.
    Neben dem Feuer kauerten mehrere Kinder - Hughs Stiefkinder -, und in einer rohgezimmerten Wiege nah am Herd lag ein kleines,
in Windeln gewickeltes Bündel. Der Anblick des Babys hatte etwas Tröstliches; wenigstens das war von Hugh geblieben. Doch dieses Gefühl wich der kalten Furcht, als ich die schmutzigen Kindergesichter im Halbdunkel sah. Hugh hatte für sie gesorgt. Ewan war tapfer und arbeitswillig, aber nicht älter als vierzehn, und das nächste Kind war ein Mädchen von etwa zwölf Jahren. Wie sollten sie über die Runden kommen?
    Das Gesicht der Frau war von Arbeit und Sorge gezeichnet. Sie hatte fast keine Zähne mehr. Erschrocken bedachte ich, daß sie wohl nur wenige Jahre älter war als ich. Sie wies auf das Bett, und Jamie legte den Leichnam behutsam nieder. Dann sprach er wieder auf gälisch mit ihr, doch sie schüttelte hoffnungslos den Kopf und starrte unverwandt die verhüllte Gestalt auf dem Bett an.
    Jamie kniete neben dem Bett nieder, neigte den Kopf und legte eine Hand auf den Leichnam. Er sprach leise, aber deutlich, und selbst ich mit meinen beschränkten Gälischkenntnissen konnte ihm folgen.
    »Ich schwöre dir, Freund, und Gott, der Allmächtige, sei mein Zeuge. Um der Liebe willen, die du für mich empfunden hast, sollen die Deinen niemals Not leiden, solange ich etwas zu geben habe.« Reglos verharrte er auf den Knien. In der Hütte war außer dem Knacken des Torffeuers und dem Geräusch des Regens auf dem Strohdach kein Laut zu hören. Jamies Haare waren dunkel vor Nässe, und Regentropfen leuchteten juwelengleich auf den Falten seines Plaids. Dann ballte er seine Faust zu einem letzten Abschiedsgruß und stand auf.
    Jamie verneigte sich vor Mrs. Munro und nahm meinen Arm. Doch bevor wir gehen konnten, wurde das Kuhfell, das vor dem Eingang hing, beiseite geschoben, und ich trat zurück, um Mary Hawkins, gefolgt von Murtagh, Platz zu machen.
    Mary war nicht nur durchnäßt, sondern auch

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