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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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mir her.
    Vor der Tür zur Spülküche blieb Jamie plötzlich stehen und stieß einen leisen Pfiff aus. Die Tür öffnete sich, und schemenhafte Gestalten tauchten aus der Dunkelheit auf. Eine von ihnen trat hastig vor. Gedämpfte Worte wurden gewechselt, und der Mann - wer immer er sein mochte - griff nach Mary und zog sie in den Schatten. Ein kühler Luftzug verriet mir, daß irgendwo vor uns eine Tür nach draußen offenstand.
    Jamie legte mir die Hand auf die Schulter und führte mich durch die düstere Spülküche in einen kleineren Raum, scheinbar eine Art
Rumpelkammer. Irgendwo stieß ich mir das Schienbein an, unterdrückte aber den Schmerzensschrei.
    Endlich gelangten wir ins Freie. Der Nachtwind fuhr unter meinen Umhang und blähte ihn auf wie einen Ballon. Nach der nervenaufreibenden Wanderung durch das dunkle Haus wäre ich am liebsten davongeflogen.
    Die Männer waren nicht weniger erleichtert als ich; sie tauschten halblaute Bemerkungen aus und lachten gedämpft, bis Jamie sie zur Ruhe rief. Dann huschte einer nach dem andern wie ein Schatten über den freien Platz vor dem Haus. Neben mir stand Jamie und beobachtete, wie sie im Gehölz verschwanden.
    »Wo ist Murtagh?« brummte er, während er stirnrunzelnd dem letzten seiner Männer nachblickte. »Wahrscheinlich sucht er Hugh«, beantwortete er seine Frage selbst. »Weißt du, wo der stecken könnte, Sassenach?«
    Ich schluckte und spürte plötzlich den beißenden Wind unter meinem Mantel. Die Erinnerung dämpfte das Hochgefühl der Freiheit.
    Mit knappen Worten erzählte ich es ihm. Sein blutverschmiertes Gesicht verfinsterte sich, und als ich ausgeredet hatte, waren seine Züge hart wie Stein.
    »Wollt ihr die ganze Nacht hier herumstehen?« erkundigte sich eine Stimme hinter uns. »Oder sollen wir Alarm schlagen, damit sie gleich wissen, wo sie uns suchen müssen?«
    Jamies Gesicht hellte sich ein wenig auf, als Murtagh lautlos wie ein Geist neben uns aus den Schatten trat. Unter einem Arm trug er ein Bündel; ein Braten aus der Küche, dachte ich, als ich die Blutflecken auf dem Tuch sah. Bestärkt wurde diese Mutmaßung durch den großen Schinken, den er sich unter den anderen Arm geklemmt hatte, und die Wurstketten um seinen Hals.
    Jamie rümpfte die Nase und lächelte matt.
    »Du riechst wie ein Metzger, Mann. Kannst du nirgends hingehen, ohne an deinen Magen zu denken?«
    Murtagh musterte Jamie mit schiefgelegtem Kopf.
    »Lieber wie ein Metzger aussehen als wie Schlachtvieh nach der Schlachtung, mein Junge. Gehen wir jetzt?«
     
    Bei der Flucht durch den dunklen Wald wurde mir bald unheimlich. Die mächtigen Bäume ragten in großen Abständen auf, doch die
Schößlinge, die man dazwischen hatte stehen lassen, nahmen im wechselnden Licht leicht die bedrohliche Gestalt eines Wildhüters an. Endlich verdichteten sich die Wolken, und der Vollmond lugte glücklicherweise seltener hervor. Als wir den Park durchquert hatten, begann es zu regnen.
    Drei Männer waren bei den Pferden geblieben. Mary war bereits vor einem von Jamies Leuten aufgesessen. Im Herrensitz reiten zu müssen war ihr sichtlich unangenehm, denn sie ordnete die Falten ihres Morgenmantels immer wieder neu um ihre Schenkel, vergeblich bemüht, die Tatsache zu verbergen, daß sie Beine besaß.
    Ich war zwar etwas erfahrener, fluchte aber auch über die schweren Falten meines Rockes, als ich einen Fuß in Jamies Hand setzte. Dann saß ich mit einem bewährten Plumps auf. Das Pferd schnaubte entrüstet und legte die Ohren an.
    »Tut mir leid, Kumpel«, murmelte ich ohne echtes Mitgefühl. »Wenn du das schlimm findest, wart erst mal ab, bis er aufsteigt.«
    Als ich mich nach Jamie umschaute, sah ich ihn unter einem Baum neben einem etwa vierzehnjährigen Jungen stehen.
    »Wer ist das?« fragte ich Geordie Paul Fraser, der neben mir seinen Sattelgurt festzurrte.
    »Wie? Ach, er.« Stirnrunzelnd sah er den Jungen an, dann blickte er wieder auf seinen widerspenstigen Gurt. »Er heißt Ewan Gibson. Hugh Munros ältester Stiefsohn. Scheinbar war er mit seinem Vater unterwegs, als sie von den Wildhütern des Herzogs erwischt wurden. Der Bub ist davongekommen, wir haben ihn am Rand des Moores gefunden. Er hat uns hierhergeführt.« Nach einem letzten unnötigen Zerren starrte er den Gurt herausfordernd an.
    »Wissen Sie, wo wir den Vater von dem Buben finden?« fragte er unvermittelt.
    Ich nickte, und die Antwort stand mir anscheinend ins Gesicht geschrieben, denn er drehte sich wieder zu

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