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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ruhig zu verhalten, und dem Drang, Mary mit bloßen Händen zu erwürgen und auf den Lärm zu pfeifen. Mary, die Röcke gerafft, um sofort loszurennen, starrte wütend zurück. Da ich inzwischen Kleid und Schuhe anhatte, stieß ich Jamie in die Rippen und löste damit den Bann.
    »Nimm sie mit«, sagte ich. »Los, wir gehen.«
    Jamie bedachte mich mit einem Blick, der keinen Deut freundlicher war als der, den er Mary zugeworfen hatte, doch er zögerte keine Sekunde. Mit einem hastigen Nicken nahm er meinen Arm, und wir eilten alle drei in den kalten, finsteren Korridor hinaus.
     
    Das Haus war totenstill und doch voller Geräusche; Dielenbretter knarrten unter unseren Füßen, und unsere Kleider raschelten wie
Laub im Sturmwind. Die Wandtäfelung ächzte, und leise Geräusche vom anderen Ende des Korridors deuteten daraufhin, daß dort heimlich Nagetiere am Werk waren. Und über alldem lag das angsteinflößende Schweigen eines großen, dunklen Hauses, dessen Schlummer nicht gestört werden durfte.
    Mary hielt meinen Arm umklammert, als wir hinter Jamie den Korridor hinunterschlichen. Er huschte wie ein Schatten an der Wand entlang, lautlos, aber rasch.
    Hinter einer Tür, an der wir vorbeikamen, hörte ich leise Schritte. Auch Jamie wurde aufmerksam. Er drückte sich gegen die Wand und bedeutete Mary und mir, es ihm gleichzutun. Eng an die kühle Täfelung geschmiegt, hielt ich den Atem an.
    Behutsam wurde die Tür geöffnet, und eine Frau mit einer weißen Spitzenhaube steckte den Kopf heraus. Sie spähte in die andere Richtung.
    »Hallo«, wisperte sie. »Bist du’s, Albert?« Kalter Schweiß lief mir den Rücken hinunter. Das Hausmädchen erwartete den Besuch des herzoglichen Kammerdieners, der dem Ruf der Franzosen alle Ehre zu machen schien.
    Wahrscheinlich würde sie einen bewaffneten Schotten nicht als angemessenen Ersatz für ihren säumigen Liebhaber ansehen. Ich spürte, wie sich Jamie neben mir anspannte, um seine Skrupel zu überwinden - es war nicht seine Art, Frauen niederzuschlagen. Noch ein Augenblick, und sie würde sich umdrehen, ihn erblicken und das ganze Haus wachschreien.
    Ich trat vor.
    »Hm, nein«, sagte ich entschuldigend. »Leider bin’s nur ich.«
    Als die Dienstbotin zusammenfuhr, ging ich rasch einen Schritt auf sie zu, so daß ich vor ihr stand, während Jamie sich hinter ihrem Rücken an die Wand drückte.
    »Tut mir leid, daß ich Sie erschreckt habe«, meinte ich mit fröhlichem Lächeln. »Ich konnte nicht schlafen, da dachte ich mir, versuch’s doch mit einem Schluck heißer Milch. Geht’s hier lang zur Küche?«
    »Häh?« Die Dienstbotin, eine rundliche junge Frau Anfang Zwanzig, starrte mich mit offenem Mund an. Von Zahnpflege hielt sie offenbar nicht viel. Glücklicherweise war es nicht die Frau, die mich auf mein Zimmer gebracht hatte. Vielleicht wußte sie nicht, daß ich eine Gefangene war.

    »Ich bin zu Besuch in diesem Hause«, stellte ich schließlich klar. Den Grundsatz beherzigend, daß Angriff die beste Verteidigung ist, starrte ich sie anklagend an.
    »Albert, so, so? Weiß Seine Hoheit, daß Sie nachts Männer in Ihrem Zimmer empfangen?« wollte ich wissen. Damit hatte ich den Nerv getroffen, denn die Frau erblaßte, fiel auf die Knie und umklammerte meinen Rock. Die Aussicht, verraten zu werden, erschütterte sie so, daß sie zu fragen vergaß, warum ein Gast nach Mitternacht durch den Korridor wanderte, und zwar nicht nur in Kleid und Schuhen, sondern auch in einem Reiseumhang.
    »O Madam! Bitte, sagen Sie es nicht Seiner Hoheit! Sie haben ein gutes Gesicht, Madam, gewiß wollen Sie nicht, daß ich meine Stellung verliere? Haben Sie Mitleid mit mir, gnädige Frau, ich habe daheim noch sechs jüngere Geschwister, und ich...«
    »Aber, aber.« Beruhigend klopfte ich ihr auf die Schulter. »Keine Sorge, ich werde dem Herzog nichts sagen. Gehen Sie einfach wieder ins Bett und...« In einem Tonfall, den man bei Kindern und Geisteskranken anschlägt, beschwichtigte ich sie und schob sie in ihre kleine Kammer zurück, während sie wortreich ihre Unschuld beteuerte.
    Nachdem ich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, lehnte ich mich erschöpft gegen den Rahmen. Jamie tauchte aus den Schatten auf und grinste mich an, sagte aber nichts, sondern tätschelte nur anerkennend meinen Kopf, ehe er wieder meinen Arm nahm und mich weiterzog.
    Mary wartete unter einem Fenster auf dem Treppenabsatz. Weiß leuchtete ihr Morgenmantel im Morgenlicht, das durch die dahinjagenden

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