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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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seiner Generäle trotzig mißachtet hatte und nach England vorgedrungen war. Jetzt spielte es auch keine Rolle mehr, ob Sandringham sein Angebot ernst gemeint hatte - er war tot. Aus dem Süden gab es keine Unterstützung - anders als erwartet, scheuten sich die Jakobiten dort, sich unter dem Banner ihres Königs zu versammeln. Gegen seinen Willen zum Rückzug gezwungen, war Charles zum letzten erbitterten Widerstand entschlossen. Er trieb die schlecht bewaffneten, erschöpften, halb verhungerten Soldaten zur Entscheidungsschlacht auf das regengetränkte Moor, damit sie sich Cumberlands Kanonen entgegenstellten.
Wenn Charles Stuart tot wäre, würde es wahrscheinlich nicht zur Schlacht von Culloden kommen. Ein Leben gegen zweitausend. Ein Leben - aber das eines Königssohns, der zudem nicht im Kampf sterben sollte, sondern durch kaltblütigen Mord.
    Der kleine Raum, in dem wir saßen, hatte zwar einen Kamin, doch ein Feuer brannte nicht - es gab keinen Brennstoff mehr. Jamie starrte auf die Feuerstelle, als könnte er dort eine Antwort finden. Mord. Nicht nur gewöhnlicher Mord, sondern Königsmord. Und zu allem Überfluß noch an einem Mann, den er einmal seinen Freund hatte nennen dürfen.
    Dennoch - die Clansmänner der Highlands versammelten sich bereits frierend auf dem offenen Feld, schlossen die ausgedünnten Reihen, während der Schlachtplan ausgearbeitet, verworfen und neu aufgestellt wurde, da immer neue Nachzügler eintrafen. Unter ihnen die MacKenzies von Leoch und die Frasers von Beaufort, insgesamt vierhundert, mit denen Jamie verwandt war. Und dazu seine eigenen dreißig Männer von Lallybroch.
    Während er nachdachte, zeigte sein Gesicht keine Regung, doch seine Hände waren fest ineinander verschlungen. Ich wagte kaum zu atmen, so gespannt wartete ich auf seine Entscheidung.
    Schließlich ließ er die Luft mit einem fast unhörbaren Seufzer entweichen, und mit unendlicher Trauer blickte er mich an.
    »Ich kann es nicht«, flüsterte er. Er strich mir über die Wange. »Ich wünschte bei Gott, ich könnte es tun, aber ich kann es nicht.«
    Die Woge der Erleichterung, die mich durchströmte, raubte mir fast den Atem.
    »O Jamie, ich bin ja so froh darüber!« flüsterte ich.
    Er legte den Kopf auf meine Hände, und ich legte die Wange auf sein Haar. Doch mitten in der Bewegung erstarrte ich.
    Im Türrahmen stand Dougal MacKenzie und musterte uns haßerfüllt.
    Ruperts Tod, die schlaflosen Nächte voller fruchtloser Debatten und der kräftezehrende Feldzug der letzten Monate hatten ihn altern lassen. Hinzu kam die Bitterkeit über die bevorstehende Niederlage. Sein roter Bart war mit silbrigen Fäden durchsetzt, seine Haut wirkte grau, und sein Gesicht zeichneten scharfe Linien, die im November noch nicht dagewesen waren. Erschrocken stellte ich fest, wie sehr er seinem Bruder Colum ähnelte. Dougal hatte Anführer sein wollen. Und nun, wo er die Nachfolge seines
Bruders angetreten hatte, mußte er einen bitteren Preis dafür zahlen.
    »Du schmutzige... verräterische... buhlerische... Hexe!«
    Jamie fuhr auf, als wäre er von einer Kugel getroffen worden, und sein Gesicht war weiß wie der Schneeregen vor dem Fenster. Auch ich sprang auf und riß dabei die Bank um.
    Dougal MacKenzie trat langsam auf mich zu. Dabei schob er die Falten seines Umhangs beiseite, so daß er sein Schwert packen konnte. Die Tür zu unserer Kammer mußte angelehnt gewesen sein, denn ich hatte nicht gehört, wie sie geöffnet wurde. Wie lange mochte er dort draußen gestanden und unser Gespräch belauscht haben?
    »Du«, sagte er leise. »Ich hätte es wissen müssen. Schon im ersten Moment hätte ich es wissen müssen.« Eisern hielt er den Blick auf mich geheftet, und in dem trüben Haselnußbraun seiner Augen sah ich Angst und Wut.
    Plötzlich nahm ich neben mir eine Bewegung wahr, und Jamie, der mir die Hand auf den Arm gelegt hatte, drängte mich zurück, so daß ich hinter ihm zu stehen kam.
    »Dougal«, sagte er. »Es ist nicht so, wie du denkst. Es...«
    »Nein?« fiel Dougal ihm ins Wort. Er wandte den Blick von mir ab, und dankbar versteckte ich mich hinter Jamie.
    »Nicht so, wie ich denke?« Noch immer sprach er leise. »Da höre ich, wie diese Frau dich überreden will, einen Mord zu begehen - einen Mord an unserem Prinzen! Und nicht nur einen schändlichen Mord, sondern auch Verrat! Und dann willst du mir einreden, es wäre nicht so, wie ich denke?« Er schüttelte den Kopf, so daß ihm die verfilzten roten Locken

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