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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Fraser-Clans: Je suis prest - »Ich bin bereit«.
    »Er hat mich bei sich aufgenommen, als ich nach Paris kam, um den letzten Schliff zu erlangen und ein wenig von der Welt kennenzulernen. Er war sehr nett zu mir; ein guter Freund meines Vaters. Und keiner kennt sich in der Pariser Gesellschaft besser aus als jemand, der mit Getränken handelt«, fügte er hinzu und brach den Ring aus dem gehärteten Wachs. »Bevor ich an der Seite von Charles Stuart Louis’ Hof betrete, möchte ich mit Jared reden. Ich will sichergehen, daß ich dort auch wieder rauskomme«, schloß er und verzog das Gesicht.
    »Wieso? Glaubst du, es gibt Ärger?« fragte ich. Die Wendung »Welcher Hilfe Seine Hoheit auch bedarf« bot einen erheblichen Spielraum.
    Er lächelte über meine besorgte Miene.

    »Nein, ich rechne nicht mit Schwierigkeiten. Aber wie heißt es in der Bibel, Sassenach? ›Es ist gut, auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Fürsten.‹« Er erhob sich, küßte mich auf die Stirn und steckte den Ring zurück in die Tasche. »Und wer bin ich, daß ich das Wort Gottes mißachte?«
     
    Ich verbrachte den Nachmittag mit der Lektüre des Kräuterbuches, das mir mein Freund Bruder Ambrosius zum Abschied geschenkt hatte. Anschließend widmete ich mich notwendigen Arbeiten mit Nadel und Faden. Weder Jamie noch ich besaßen viel zum Anziehen. Das hatte zwar den Vorteil, daß wir mit leichtem Gepäck reisen konnten, andererseits mußten durchlöcherte Socken und heruntergerissene Säume umgehend wieder instandgesetzt werden. Mein Nadeletui war mir annähernd so wichtig wie mein kleiner Kasten mit Kräutern und Arzneien.
    Während ich die Nadel durch den Stoff führte, dachte ich an Jamies Besuch bei Jared. Aber noch mehr kreisten meine Gedanken um Prinz Charles. Zum ersten Mal würde ich einem Menschen gegenüberstehen, der eine historische Berühmtheit war, und während ich weiß Gott nicht allen Legenden, die sich um ihn rankten (nein, ranken würden , wies ich mich zurecht), Glauben schenkte, blieb der Mann doch geheimnisvoll. Der Aufstand von 1745 würde - ob er nun scheiterte oder erfolgreich war - fast einzig und allein von der Persönlichkeit dieses jungen Mannes abhängen. Aber ob es überhaupt zum Aufstand kommen würde, hing eventuell von den Bemühungen eines anderen jungen Mannes ab - Jamie Fraser. Und von mir.
    Ich saß immer noch gedankenverloren über meiner Näharbeit, als ich auf dem Flur schwere Schritte hörte. Plötzlich wurde mir bewußt, daß es schon ziemlich spät war. In den herabhängenden Eiszapfen spiegelten sich die letzten Sonnenstrahlen. Die Tür öffnete sich, und Jamie trat ein.
    Vage lächelte er mich an. Dann blieb er geistesabwesend neben dem Tisch stehen, als würde er versuchen, sich an etwas zu erinnern. Er legte seinen Umhang ab, faltete ihn zusammen und breitete ihn ordentlich über das Fußende des Bettes. Er richtete sich auf, ging hinüber zum Schemel, ließ sich mit äußerster Präzision drauf nieder und schloß die Augen.
    Vergessen lag das Flickzeug in meinem Schoß, während ich Jamies
Auftritt verfolgte. Nach einer Weile öffnete er die Augen und lächelte mich schweigend an. Er neigte sich vor und musterte mich genau, als hätte er mich seit Wochen nicht mehr gesehen. Schließlich machte sich ein Ausdruck tiefgreifender Erkenntnis auf seinem Gesicht breit. Seine Spannung löste sich, und seine Schultern sanken nach vorn, als er die Ellbogen auf die Knie stützte.
    »Whisky«, erklärte er voller Zufriedenheit.
    »Aha«, erwiderte ich vorsichtig. »Viel?«
    Bedächtig wiegte er den Kopf, als wäre er sehr schwer.
    »Nicht ich«, erklärte er unmißverständlich. »Du.«
    » Ich ?« Ich war entrüstet.
    »Deine Augen«, klärte er mich glückselig lächelnd auf. Seine eigenen blickten weich und verträumt und trübe wie ein Forellenteich im Regen.
    »Meine Augen? Was haben meine Augen damit zu tun...«
    »Wenn das Sonnenlicht von hinten kommt, haben sie die Farbe eines alten, guten Whiskys. Heute früh hab’ ich gedacht, es wäre Sherry, aber ich war im Unrecht. Kein Sherry. Auch nicht Weinbrand. Whisky. Kein Zweifel.« Er wirkte derart erfreut, daß ich lachen mußte.
    »Jamie, du bist fürchterlich betrunken. Was hast du angestellt?« Sein Gesichtsausdruck wandelte sich zu einem leichten Stirnrunzeln.
    »Ich bin nicht betrunken.«
    »Ach, wirklich nicht?« Ich legte das Flickzeug beiseite, trat zu ihm hin und legte ihm die Hand auf die Stirn. Sie fühlte sich kühl und

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