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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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Umgebung kühlere Luft ansaugen. Die Explosion würde einen großen Teil des Brennstoffs vernichten, sodass der Prozess – wie wir hofften – nicht noch einmal beginnen könnte. Es war weniger eine konventionelle Feuerbekämpfung, eher ein chirurgischer Eingriff.
    Ich fragte mich, wie dieser FOX-Brand aussehen und riechen mochte. Wie heiß war es, und wie lange konnten wir im Schutz der Anzüge arbeiten? Würde die Hitze die Bomben blockieren oder sogar zu früh zünden? Ich stellte mir eine riesige Rauchwolke vor, eine weiße und gelbe Eruption, die, gespeist von Fässern und Gebäuden, wie ein Geysir emporschoss, die Luft ansaugte und sich weiter ausbreitete, um auf Baumgruppen überzugreifen. Ich malte mir verkohltes Gras und rauchende Erde aus und dachte an die Schichten des Feuers: zuerst die unsichtbaren Gase, die unterhalb der Flammen aufsteigen, bevor sie brennen, dann die schmale helle Linie, wo die Gase Feuer fangen, und schließlich der lodernde Kern, der hinaufgreift und sich ausbreitet. Orangefarben, weiß oder grün, je nachdem, wie übel die Mischung ist.
    Auf einmal wurde mir klar, dass ich nicht träumte. Durch die Scheibe starrte ich bereits das Feuer an.
    Station 9 bestand aus einer kreisförmig angelegten Gebäudegruppe, die an eine Hügelfestung erinnerte. Früher hatte die Anlage mit ihren Türmen, Kuppeln und Zylindern dem Betrachter zu verstehen gegeben, wer hier das Sagen hatte. Jetzt bildete sie das Staubgefäß einer riesigen Blüte mit vielen Blütenblättern, die grau und magnesiumweiß loderten. Selbst aus dieser Entfernung spürte ich schon die Hitze durch die Windschutzscheibe. Rings um das Hauptlager war die Temperatur viel höher, als sie eigentlich sein sollte. Nicht mehr lange, und alles würde schmelzen, zerfließen und zusammenklumpen. Kleine Nester schmutziger Flammen stiegen in Spiralen empor. Wenn diese Nester bis zur Grenze getragen wurden – schon jetzt kam ein Wind auf, der in diese Richtung wehte –, dann hatten wir versagt, und unser Schicksal war besiegelt.
    Eine halbe Meile vor Station 9 gab es eine Wendeschleife mit einem Flecken rauchenden Grases in der Mitte. Bone Briskett hielt seinen Panzer an der Seite an, die Kanone auf die Flammen gerichtet, als wollte er sie erschießen. Wir parkten die Trucks in einer Reihe und stellten uns dem Feind – ganz so wie in High Noon. Fünf Zielbereiche am Rand des Brandes. Zehn Trucks, jeder mit einer Bombe. Immer zwei würden sich ein Ziel vornehmen. So war der Erfolg auch dann gesichert, wenn ein Truck ausfiel. Zehn weitere Trucks bildeten die Unterstützung. Sie transportierten Hebegerät, Dekontaminationskammern, eine Notfallversorgung und Ersatzanzüge. Die Anzüge hielten fünfhundert Grad aus – eine Weile jedenfalls. Die Funkgeräte arbeiteten bei dieser Hitze jedoch nicht sehr lange, und das GPS war schon am ersten Tag der Großen Löschung ausgefallen. In der Nähe der Station gab es Triangulationsmasten, die uns verrieten, wo wir waren. Aber wir brauchten Sichtverbindung, um uns auf sie verlassen zu können. Deshalb prägten wir uns einfach ein, wohin wir mussten. Wir alle konnten uns mit einer auswendig gelernten Karte in praktisch jedem Gelände orientieren, und genau das taten wir jetzt. Wir starrten das Feuer an und warteten auf den Einsatzbefehl.
    Auch Bone Brisketts Soldaten standen in ihren Schutzanzügen herum. Wahrscheinlich wäre ihnen ein scharfer Schusswechsel lieber gewesen als dies hier. Humbert Pistill hatte jedoch beschlossen, dass sie uns bis zum Tor der Hölle eskortieren sollen. Es kann nicht schaden, euch zu sichern, hatte er gesagt. Eigentlich sind nur ein paar Leute nötig, um die Welt zu retten, aber es kann nicht schaden, noch ein paar andere in der Nähe zu haben, die sie hinterher heraustragen können. Man konnte ihm nicht widersprechen; er hatte nur gelächelt und getan, was er für richtig hielt. Und irgendwie fühlte man sich besser, wenn er in der Nähe war. Ich betrachtete die Soldaten und überlegte, ob sie bei der Musterung ihr Alter falsch angegeben hatten.
    Das Heulen der Motoren war zu leise, um das Tosen des Feuers zu übertönen.
    »Schutzhauben«, sagte Jim Hepsobah über Funk. Wir überprüften die Masken und die Siegel der Anzüge.
    »Standorte«, sagte Jim, und wir wiederholten, wohin wir gehen mussten.
    »Einsatz in zwei Minuten. Zeit bis zur Detonation: zwölfhundert Sekunden nach Einsatzbeginn«, sagte Sally Culpepper. Wir warteten.
    Zwölfhundert Sekunden. Dreihundert

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