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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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Sekunden Hinweg bis zum Zielbereich. Sechshundert Sekunden, um die Bombe einzustellen und zu sichern. Dreihundert Sekunden, um wieder herauszukommen und sicheres Terrain zu erreichen. Funkzündung kam nicht infrage, weil die Zünder durch Störungen auf dem Gelände vorzeitig ansprechen konnten. Ich überprüfte noch einmal meinen Anzug. Er bestand aus undurchdringlichem Stoff mit eingewirkten Metallfäden, war klobig und behinderte mich. Außerdem besaß er eine kühlende Schicht, und wenn man die Luftversorgung einschaltete, blähte er sich auf. Selbst wenn man in einer Gaswolke stand und der Anzug durchbohrt wurde, strömte die Luft nach draußen und nicht hinein. So blieb genug Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Bisher hatte aber noch niemand die Anzüge mitten im Zeug probiert, weil keiner der Erste sein wollte.
    »Eine Minute«, sagte Sally Culpepper.
    Gonzo grinste mich durch seine Sichtscheibe an. Wir würden mit Jim und Sally den mittleren Bereich übernehmen und die Bomben zünden, die den Flammen am nächsten waren. Die gefährlichste und wichtigste Stelle.
    Wir rückten aus. Bone Briskett fuhr mit seinem Truck durch das Haupttor, das mit einem Knall aufsprang. Dann zerstörte er es mit seinen Reifen und bügelte es platt. Tobemory Trent und Annie der Ochse übernahmen eine Seite, Samuel P. und Brightwater Fisk die andere. Gonzo, Jim, Sally und ich rollten über das zerstörte Tor, das unsere Reifen noch weiter zerlegten, und hielten auf unser Ziel zu. Wir wollten diesseits des Hauptlagers, in dem die Flammen derzeit wie in einem Schmelztiegel loderten, in das Sekundärdepot der Station 9 eindringen. Dort konnten wir es allerdings nicht sehr lange aushalten. Wir rasten mit den Trucks über den Parkplatz der Manager und den gelb markierten Asphalt mit der Aufschrift EINFAHRT, dann ging es durch das rote Trapez mit der Warnung ZUGANG VERBOTEN. Der Lack auf der Kühlerhaube warf schon Blasen. Dann donnerten wir durch die verrosteten Türen ins Depot hinein. Es war, als wären wir aus der Sonne in den Schatten getreten. Auch im Depot waberten Dämpfe, die Luft flimmerte vor Hitze, aber es war lange nicht so heiß wie draußen. Zwei Fuhren von Bone Brisketts Männern eilten hinter uns herein und schwärmten an den Seiten aus.
    Jim Hepsobah bremste schleudernd ab, um das Heck seines Trucks und die Bombe möglichst nahe an die richtige Stelle heranzubekommen. Auf dem Boden blieb ein Gummistreifen zurück, aber sein Manöver hatte uns zwanzig Sekunden erspart. Wir stiegen aus und standen an einem heißen, üblen Ort. Bones Jungs, die mit ihren gepanzerten Militäranzügen wie Wespen wirkten, nahmen uns in die Mitte, als könnte es hier jemanden geben, der so verrückt wäre, uns anzugreifen, während wir die Bomben aufbauten. Sie waren mit großen Gewehren bewaffnet – offenbar Spezialanfertigungen, die auch unter diesen Bedingungen noch funktionierten. Vermutlich ausgerüstet mit Wasserkühlung und geladen mit Munition, die einen Menschen tötete, aber einen FOX-Tank nicht beschädigte. Vermutlich.
    An einer Seite stand eine Reihe mannshoher schwarzer Kisten, die durch einige Schläuche miteinander verbunden waren. FOX-Generator, Reserveeinheit 1. Keine Ahnung, wie das Ding funktionierte. Es gab keine Zauberstäbe und keine herumflitzenden Elfen, keine Engelschöre. Wenn überhaupt, dann war es ein finsteres Ding. Wie eine Reihe von sechs miteinander verbundenen Särgen, die auf eine Massenbestattung warteten. Dort brannten keine Lichter – das war gut. Wenn das Ding nicht lief, dann bestand auch nicht die Gefahr, dass es den Brand verstärkte. Wir konnten es einfach mit allem anderen in die Luft jagen. Ein Problem weniger, und außerdem brauchten wir bald mal eine Pause.
    Der Boden bebte. Das ganze Gebäude vibrierte unter der Macht des Feuers, das jenseits der Wand tobte. Sieben Meter bis zum Schmelztiegel. Drei Meter hinter der Wand des Schmelztiegels brannte etwas, das kein normales Feuer sein konnte. Zehn Meter bis zur zerstörerischsten Kraft dieser Welt, zwischen uns und ihr nur die abbröckelnde und nicht sehr dicke Wand aus Stein und Staub. Das war nicht der Augenblick, um einen Fehler zu machen. Wir arbeiteten mit Balken und Flaschenzügen. Jim Hepsobah übernahm die Hauptlast, und Sally steuerte geschickt die Ladung. Wir hörten uns gegenseitig über Funk grunzen, aber das war auch alles – kein Geplauder, keine Fragen. Wir wussten, was wir zu tun hatten, und kannten einander. Worte hätten

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