Die gelöschte Welt
Gästebett.« Dann geht sie hinein und folgt Gonzo nach oben.
Ich schlafe in einem Klappbett, und zwar in meinem eigenen Haus, das ich nicht mehr wiedererkenne. Ich schlafe sogar ziemlich gut, was mich erst recht wütend macht. Am nächsten Morgen bringt mir Leah Toast. Sie riecht nach Jasmin und nach Gonzo. Irgendwie beschäftige ich mich bis zehn Uhr, dann steige ich mit Gonzo in den Truck. Wir wollen zum missmutigen Pete fahren, ehe wir uns mit Sally und Jim treffen. Alle Trucks des Firmenfuhrparks müssen vom missmutigen Pete gewartet und abgenommen werden. Das ist bei uns ein ehernes Gesetz. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dass Gonzo eine Weile mit mir allein sein will, was auf jeden Fall in Ordnung ist.
Leah winkt uns zum Abschied nach.
Zweierlei ist mir inzwischen bewusst. Zuerst einmal, dass es mir nicht möglich ist, zwei Menschen, die ich liebe, dafür zu hassen, dass sie einander lieben (ist ziemlich unehrlich). Zweitens habe ich weniger Angst, mit Gonzo darüber zu reden, als es von meiner Frau zu hören. Die Unterhaltung mit Gonzo wird schmerzhaft werden, und wahrscheinlich werden wir uns anbrüllen. Die Unterhaltung mit Leah könnte mir dagegen die Rippen brechen und mein Herz wie einen Luftballon platzen lassen. So winke ich vom Beifahrersitz aus Leah zu, und sie winkt zu uns beiden zurück und nagt an der Unterlippe. Gonzo fährt aus dem Himmel heraus in die richtige Welt hinüber. Das Gefühl der Erleichterung ist das schlimmste gute Gefühl, das ich je hatte.
Petes Werkstatt liegt in einer Stadt namens Baggin. Es ist eine Art Grenzstadt mit rauen Sitten und harten Männern, aber eigentlich ist sie ganz in Ordnung. Sie stellen dort sogar eine eigene Zigarrenmarke her, was das Gesamtbild abrundet. Die Stadt riecht Tag und Nacht nach Tabak, und im westlichen Viertel gibt es auch noch eine Brauerei. Baggin liegt ungefähr eine Tagesreise entfernt am Rohr, aber es gibt eine Abkürzung: eine mehr oder weniger stabile Straße durch das Grenzland, die Fahrt dauert etwa zwei Stunden. Gonzo und ich haben so ziemlich das Schlimmste hinter uns, was einem hinsichtlich des Kontakts mit dem Zeug überhaupt passieren kann, und uns ist nichts weiter passiert, also stellt sich nur noch die Frage, ob sich da draußen gefährliche Männer herumtreiben. Aber es ist ja unsere Aufgabe, Gefahren zu bekämpfen. Daher zögert Gonzo an der Abzweigung keine Sekunde und lenkt den Wagen ins Grenzland hinein. Er muss sich nicht erst zu mir umdrehen, denn er weiß, was ich sagen würde. Außerdem weiß er, dass ich schon dabei bin, meine Fragen zu formulieren und meine Gefühle so weit zu überwinden (Hass, Entsetzen, Wut, ein furchtbarer, die Gedärme zerfetzender Schmerz), dass ich mit klaren, ruhigen Worten fragen kann, was das alles zu bedeuten hat, wie es sich zwischen Männern von gutem Charakter mit ehrbaren Absichten gehört. Deshalb überrascht es ihn vermutlich ebenso wie mich, als es nach fünfzig Kilometern einfach aus mir herausbricht.
Glitschiger, widerlicher zäher Kleister fließt über meinen Bauch, durchnässt den Stoff und kitzelt auf der Haut. Es ist ekelhaft. Abscheulich. Und fühlt sich böse an. Wie gestern. Ich hasse es.
Aber statt wegen des brodelnden Zeugs auf meinem Hemd und meinen Hosen zu schreien, wende ich mich zu Gonzo um und schreie ihn an, und dann sprudelt alles aus mir heraus. Er hat mir alles genommen, was ich liebe, obwohl er mein Freund ist. Es gibt Opfer, die er nicht von mir verlangen kann, und wie lange geht es überhaupt schon? Liebt Leah ihn, oder leide ich an irgendeiner furchtbaren sexuellen Unzulänglichkeit, von der ich keine Ahnung habe? Habe ich auf der Soames School eine Lektion ausgelassen? Bin ich bei einem Vortrag über erogene Zonen, die für die Treue in einer Beziehung wichtig sind, eingeschlafen? Oder gab es einen Kurs über post-ethische Freundschaft, an dem ich aus irgendeinem Grund nicht teilgenommen habe? Kurz und gut, was fällt Gonzo William Lubitsch eigentlich ein, dass er sich mit meiner Frau auf die Matratze legt?
Erst als ich dies ausspreche, diese magischen Worte, scheint Gonzo überhaupt zuzuhören. An diesem Punkt dreht er sich halb zu mir um und mustert mich mit einer Art kranker Neugierde. Ich sage es noch einmal, falls er es nicht verstanden hat. Da zuckt Gonzo zusammen, was mich freut, und deshalb sage ich es immer wieder, bis er in sich zusammenschrumpft wie der verlogene Bastard, der er ja ist. Und bis ich schließlich heiser bin und
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