Die gelöschte Welt
den Worten »… der lächerliche Wichser!« abschließen muss und dann schlagartig verstummt und hinter einer Bodenvase in Deckung geht. Ich könnte Mitgefühl empfinden, wäre ich nicht sehr damit beschäftigt, Gutmütigkeit auszustrahlen und wie ein harmloser, vorlauter, Karriere machender Bürotrottel zu wirken.
Dick Washburn wechselt einige Male die Farbe. Mir scheint, er könnte gleich ohnmächtig werden. Mit etwas Verspätung fällt mir ein, dass Humbert Pistill ein Übermensch ist, der in der höchsten Liga spielt. Der Letzte, der sich so etwas erlaubt hat, arbeitet jetzt vermutlich als Hausmeister, hat nur noch ein Auge und verständigt sich rülpsend, weil Pistill-nennt-mich-Humbert ihm die Kehle herausgerissen hat. Durchatmen. Überprüfen, wo die Ausgänge sind. Ich habe den Mund zu früh zu weit aufgerissen, und jetzt ist es vorbei. Aber Humbert Pistill stößt ein bellendes Lachen aus und klopft mir auf den Rücken. »Da haben Sie verdammt recht«, sagt er. »Verdammt recht haben Sie damit.« Seine Augen funkeln mich aus dem runzligen Gesicht an.
»Ich brauche einen Drink, junger Richard. Könnten Sie mir den Weg zur Bar zeigen? Und dann möchte ich, dass Sie mir diesen Herrn vorstellen, weil er mich an einen Burschen erinnert, den ich mal kannte – er hatte einen schrecklichen Namen.« Immer noch kichernd führt er den Bürotrottel fort, als wäre es sein eigenes Haus und seine Party. Und als er den gekachelten Bereich vor der Bar erreicht, klingeln seine Schuhe leise auf dem Boden. Einer aber macht ein dumpferes Geräusch, was vermutlich bedeutet, dass Daniel Prangs Schuh einen Nagel verloren hat, wie Royce Allen es mir erklärte.
»Der Mann hat Mumm«, sagt Tom Link.
»Irre«, stimmt Roy Massaman zu. Sie machen diese nervige Geste der Anbeter des Sonnengottes: Sie heben beide Hände über den Kopf und verbeugen sich. Ich wende mich ab und hoffe, etwas Interessantes zu finden, damit ich sie möglichst schnell stehen lassen kann. Von hier aus kann ich den Garten überblicken. Dick Washburns Swimmingpool ist mit Unterwasserscheinwerfern beleuchtet. So etwas habe ich noch nie gesehen. Andererseits bin ich seit zwanzig Jahren nicht mehr in die Nähe eines privaten Pools gekommen und hatte irgendwie angenommen, es sei ein Naturgesetz: Poolbeleuchtung ist einfach weiß oder bläulich. Dieser Pool wurde mit gedämpften, rosafarbenen Lampen ausgestattet und regt eher zu einem liebestollen Flirt und einem Stelldichein an als zum Schwimmen. Es wäre fast ein Stilbruch, hier einfach ein paar Runden bloß zu schwimmen. Ungefähr so, als würde man über einer römischen Toga einen Anorak tragen. Die Türen zum Garten sind im Moment geschlossen, aber vom Wasser steigt Dampf auf. Offenbar ist es ordentlich vorgewärmt, und neben dem Becken stehen längliche pilzförmige Ständer mit Gasbrennern, damit es auch draußen schön warm ist. Früher oder später, wenn genügend Drinks geflossen sind, werden sich die Wagemutigen und Schönen vermutlich entkleiden und hineinspringen. Am hinteren Rand des Pools erkenne ich die gespenstische Gestalt von Dr. Andromas, der mit überkreuzten Beinen auf dem Sprungbrett sitzt.
Ich bekomme einen furchtbaren Schreck, als ich ihn dort so offen sitzen stehe. Natürlich ist nichts Übernatürliches daran – er ist einfach über die Mauer geklettert. Wahrscheinlich ist er mir hierher gefolgt. Außerdem ist er auf meiner Seite (oder ich bin auf seiner), aber trotzdem – Dr. Andromas hat hier einfach nichts zu suchen. Er ist der unnatürlichste Mann, den ich je gesehen habe. Und wenn er hier auftaucht und zu erkennen gibt, dass wir unter einer Decke stecken, sehen meine wundervoll ausgedachten Pläne auf einen Schlag wie pürierte Leber aus. Bisher hat ihn außer mir noch niemand bemerkt (was ich daran erkenne, dass noch niemand gekreischt hat), aber sobald Sippy Roehunter beschließt, es sei an der Zeit, den Ausschussmitgliedern zu zeigen, was sie hat, oder Dan deLine den Drang verspürt, dem Damen-Lacrosseteam von Jorgmund seine entblößte Muskulatur vorzuführen, dürfte es nicht mehr lange dauern, bis dieser Irre mit Zylinder entdeckt wird, der im Lotussitz am Rand von Dick Washburns riesigem Sexpool hockt. Ich wünsche mir, dass er verschwindet. Es funktioniert aber nicht. Ich knirsche mit den Zähnen. Doch auch das hilft nicht.
»Alles klar?« Tom Link zeigt sich besorgt.
»Alles klar. Neue Brücke. Abends spannt sie noch ein wenig.« Auch wir Männer müssen etwas für
Weitere Kostenlose Bücher