Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
unterschiedlichen Geschmack. Die Variation war vorzüglich, und so schmeckte jeder Bissen anders, aber doch gut. Das brachte mich auf die Idee, dies auch mit anderen Beilagen auszuprobieren: Gleichzeitig wurden als Beilage Reis mit einem Hauch von Curry, Reis natur – ohne Gewürze – und Reis gekocht mit ein paar angebratenen Streifen grünem Paprika geboten. Zumindest bei meinen Gästen kam diese Variation des Geschmacks an. Jeder Bissen ein anderer Geschmack ist durchaus zu empfehlen. Man sollte aber auch hier nicht übertreiben und nicht unbedingt einen Streifzug durch die gesamte Küche der Welt auf einem Teller veranstalten.
Befinden sich Saucen auf dem Teller, so sollten sie nicht zu dick sein. Auch dies hat einen Einfluss auf den Geschmack. Je dickflüssiger die Sauce ist, desto weniger werden wir sie schmecken können. Dies hängt mit der Löslichkeit der Geschmacksstoffe zusammen – sie können dann nicht leicht im Mund abdampfen und die oberen Bereiche der Nase erreichen. Nur dort können wir die Aromen der Speise wahrnehmen.
Selbstverständlich hat auch die Zubereitung einen wesentlichen Einfluss auf den Geschmack. Damit werden wir uns in weiten Teilen dieses Buches beschäftigen.
Was zeichnet eigentlich eine gute – eine wirklich gute –, eine weltmeisterliche Speise aus? Jetzt wird natürlich jeder von uns sagen, dass er auch gut kochen kann und ein wahrer Meister seines Faches ist. Ohne Ihnen nahetreten zu wollen, geschätzte Leserin und werter Leser: Ich glaube, es gibt nur ganz wenige wirklich begnadete Köchinnen und Köche – ich persönlich würde mich nur als durchschnittlich einschätzen. Wäre ich kein Physiker, dürfte ich dieses Buch nicht schreiben. Vor ein paar Jahren wurde ich von einem Museum in einen österreichischen Gourmettempel eingeladen. Es sollte eine Kooperation zwischen der dortigen Köchin, dem Museum und mir besprochen werden. Aber bevor es zu dem Gespräch kam, speisten wir fürstlich. Am Tisch saßen drei Personen, alle mit einem anderen Geschmack, und wir wählten, wie es der Zufall so wollte, alle das gleiche achtgängige Menü. Nachdem das Abendessen verspeist war, hatte ich zwei wesentliche Erkenntnisse gewonnen.
Die erste Einsicht lautete: Eine perfekte Speise schmeckt wirklich allen – nicht nur einem selbst. Alle Speisen, die man selber zubereitet, schmecken einem – außer die Hypothesen waren schlecht gewählt –, sonst würde man etwas anderes kochen. Also kocht man für sich und natürlich auch für jene, die noch am Tisch sitzen. Diese können sich aber nur schwer gegen das Essen wehren. In Familien entwickelt sich im Laufe der Jahre eine Art Familiengeschmack. Es werden bestimmte Gewürze nicht verwendet beziehungsweise kommen gar nicht auf den Tisch, damit der Haussegen nicht schief hängt. Aber bei anderen Familien ist es anders. Natürlich wird in jeder Familie perfekt gekocht, aber würde es auch anderen schmecken, und würden diese dann über 100 Euro dafür zahlen? Wenn dies der Fall ist, eröffnen Sie bitte einen Gourmettempel und erfreuen Sie die Welt mit Ihren Speisen. Die wirklich hohe Kunst des Kochens besteht nun darin, dass tatsächlich alle Gäste nicht nur zufrieden, sondern enthusiasmiert sind. Eine wirklich hohe Kunst ...
Die zweite Erkenntnis, die ich gewinnen konnte, war, dass das Ambiente stimmen muss. Gerade wenn wir Nahrung zu uns nehmen, möchten wir ungezwungen sein, was nicht bedeutet, dass man alle Regeln des guten Anstands über Bord fallen lassen muss. Aber erst wenn man sich willkommen fühlt, nicht als ein Fremdkörper, der einem Mühe und Arbeit bereitet, wird Essen zu einem wahren Genuss. Dieses Lokal, von dem ich gerade schrieb, war das „Hubertus“ in Filzmoos – bei dieser Gelegenheit ein herzliches Dankeschön an die Familie Maier. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, dass es natürlich noch viel mehr Lokale gibt, in denen ich mich sehr wohl gefühlt habe und wo die Köchinnen und Köche auch exzellent kochen können.
Weitere Forderungen an die Speisen wären:
• Das Auge isst mit.
Nur wenn die Nahrungsmittel schön arrangiert sind, kommt wahrer Genuss auf. Fleischlaibchen mit einem lieblos angerichteten Kartoffelpüree können zwar gut schmecken, aber wenn der Charme der Speise fehlt, ist es einfach um das Essen schade. Mit ein paar Kleinigkeiten können Sie Schwung auf den Teller bringen, ohne dass es einen großen Aufwand darstellt. Dazu kann ich Ihnen das Buch von Michael
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