Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
Kollagen enthält.
Vom Braten in der Pfanne könnte ich Ihnen noch viel erzählen. Ein besonderes Rezept möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, da es das genaue Gegenteil von Slow Food ist. Brät man Hühnerkeulen, so hat man das Problem, dass das Fleisch in der Nähe der Knochen nicht mehr blutig sein sollte. Damit dürfen die Keulen nicht zu scharf angebraten werden, denn sonst würde das Fleisch außen verbrennen, während im Inneren das Fleisch noch roh ist. Freilich kann man auch mit einer geringeren Temperatur arbeiten, aber dann ziehen sich die Fasern der Hühnerkeule wieder zusammen, und die Keule wird trocken. Also gibt es eine ganz andere Methode. Man brät die Hühnerkeulen kurz bei extremer Temperatur an – so können wir die Maillard-Reaktionen nutzen. Nachdem die Keulen nach rund zwei Minuten angebraten sind, kommen sie auf einen flachen Teller, wenn möglich mit einem Spritzschutz, und werden für rund zwei bis fünf Minuten im Mikrowellenherd fertig „gebraten“. Auf den Mikrowellenherd werden wir später noch eingehen, aber für das schnelle Fertigbraten ist er hervorragend geeignet.
Ich habe bei diesem Rezept „Huhn Hawaii“ noch einen kleinen Trick für Sie, um den Genuss zu steigern. Gerade bei den Knochen ist viel Kollagen – dieses sollte zerstört werden. Es gibt kaum etwas Unangenehmeres als sehnige Hühnerkeulen.
Nicholas Kurti erkannte, dass man mit Ananassaft Kollagen auflösen kann. Eine britische Armeeeinheit musste sich im Zweiten Weltkrieg in Indien auf eine Ananasplantage zurückziehen. Dort versteckte sie sich. Zu essen gab es Ananas in allen Varianten. Einmal wurden die Früchte gebraten, das andere Mal wurde Ananaskompott gereicht, und natürlich gab es zwischendurch rohe Ananas. Nach ein paar Wochen stellte der Stabsarzt fest, dass den Soldaten die Zähne ausfielen. Der erste Gedanke wäre natürlich Vitaminmangel – aber nach drei Wochen tritt noch lange kein Vitaminmangel auf. Es stellte sich heraus, dass sich in der Ananas ein besonderes Enzym befindet: das Papain. Dieses Enzym befindet sich ebenfalls in großen Mengen in der Papaya – wo auch der Name herkommt. Papain zerstört das Kollagen, aber nur wenn der Ananas-oder der Papayasaft nicht erhitzt wurde. Dieses Enzym reagiert besonders empfindlich auf eine hohe Temperatur. Mit dem Saft aus einer Dose Ananas haben Sie wenig Chance – die Dose wurde pasteurisiert. Injizieren Sie den Saft mit einer Spritze ins Gelenk, so löst sich dort das Kollagen auf. Aber lassen Sie Vorsicht walten. Wenn Sie den Saft am Vorabend injizieren, so zerfällt das Fleisch, und das sieht nicht besonders schön aus. Also experimentieren Sie ruhig ein bisschen!
Es wurde gerade so salopp beschrieben, dass man einfach mit einer Injektionsnadel den Saft injiziert. Dafür benötigen Sie zunächst einmal eine Spritze und eine Nadel. Wo bekommen Sie diese her? Na, ganz einfach, aus der Apotheke. Aber ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie diese Utensilien bitte nicht dort kaufen, wo Sie bekannt sind. Vor allem erklären Sie bitte nicht, warum Sie dieses Gerät brauchen. Sonst ergeht es Ihnen womöglich so wie mir: Ich litt einmal an einer schweren Bronchitis. Mein Arzt verschrieb mir ein Brausepulver, das man in Wasser auflöst, trinkt, und dann soll sich der Husten lösen. Als ich in der Apotheke war und mein Rezept einlöste, orderte ich gleich fünf Spritzen zu je fünf Kubikzentimeter und zehn Nadeln mit 0,75 Millimeter Durchmesser. Die Apothekerin blickte mich erstaunt an und meinte ganz aufgeregt: „Aber bitte, mein Herr, Sie können sich das Hustenmittel nicht einfach spritzen!!!“ Dann beging ich den nächsten Fehler, denn ich antwortete ehrlich: „Nein, nein, ich brauche die Spritzen und Nadeln für das Kochen!“ Eine ältere Dame mit einem enormen Hörgerät, die neben mir stand, bemerkte nur, dass sie zum Kochen noch nie eine Spritze benötigt hatte. Dieses Missverständnis führte zu einem Vortrag über die Physik und Chemie des Kochens in einer Apotheke, den ich und auch alle anderen Beteiligten nicht vergessen werden ...
Auch sollten Sie die Spritzen nicht einfach irgendwo liegen lassen. Es besteht zwar nicht die Gefahr, dass sich jemand infiziert, aber trotzdem könnten einige Leute auf dumme Gedanken kommen. Ich hielt schon in meiner Studentenzeit Vorträge über das Kochen. Dafür hatte ich eine große Tasche, die mit ein paar Experimenten gefüllt war. Es gab ein Semester, in dem ich kaum Zeit hatte und meine
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