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Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)

Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)

Titel: Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Gruber
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Eltern nicht besuchen konnte. Das Problem bestand aber nicht in der Verarmung der Kommunikation zu meinen Eltern, es entwickelte sich ein viel profaneres Problem. Nach ein paar Wochen besaß ich keine saubere Wäsche mehr. So war meine Mutter so liebenswürdig und fuhr extra von Linz nach Wien, mit einer großen Tasche, gefüllt mit frischer Wäsche und wunderbaren Rindsrouladen, selbstverständlich mit Semmelknödeln. Am Westbahnhof gab es einen Austausch der Taschen: meine mit Schmutzwäsche gefüllte Tasche gegen die Tasche mit den Rindsrouladen und der frischen Wäsche.
     
    Am nächsten Morgen läutete im Studentenheim um sieben Uhr früh am Gang das Telefon. Für einen Nichtstudenten entspricht dies einer Uhrzeit von vier Uhr früh. Ein Kollege, der schon zu einer Vorlesung musste, weckte mich mit dem Kommentar: „Werner, deine Mutter ruft gerade an, hoffentlich nichts Schlimmes mit der Familie!“ Ich stürmte zum Telefon, und die erste Frage lautete: „Wer ist gestorben?“ Meine Mutter meinte nur, dass es der Familie gut geht und dass wir uns über alles in Ruhe und mit voller Ehrlichkeit unterhalten können. Schlaftrunken wusste ich nicht, worum es geht – ich hatte auch kein schlechtes Gewissen. Darauf kam die Frage, mit der ich nie gerechnet hatte: „Sohn, ich habe Spritzen und Injektionsnadeln in der Tasche mit der Schmutzwäsche gefunden. Wie kannst du das erklären?“ So erläuterte ich die Vorzüge der Spritzen, um Ananassaft in Fleisch einzubringen, um das zähe Kollagen zu zerstören. Es war ein relativ langer Vortrag. Am anderen Ende der Telefonleitung meinte meine Mutter erleichtert: „Nun bin ich beruhigt, ein Drogensüchtiger würde sich nie eine solch obskure und abstruse Geschichte einfallen lassen. Schlaf weiter.“ Und ich schlief weiter und träumte von „Huhn Hawaii“ ...
     

     
    Der Schweinsbraten mit einer geräuschvollen Kruste
    Eine der ganz großen Herausforderungen in der heutigen Zeit ist ein perfekter Schweinsbraten – innen saftig und außen mit einer krachenden Kruste. Da kann uns die Physik helfen. Gleich stellt sich die Frage, welches Fleisch wir verwenden. Es gibt die Möglichkeit eines Karreestücks, eines Schopfbratens oder einer Schulter, und natürlich lässt sich auch ein besonders fettes Bauchstück verwenden. Ich persönlich empfehle kein Karree, denn es wird leicht trocken, und eine schöne Kruste bekommt man auch nicht. Dafür ist eine Schweinsschulter mit einer Schwarte und einem Randl, einer dicken Fettschicht unter der Schwarte, perfekt geeignet. Natürlich kann man auch einen Schweinsbauch nehmen – er hat eben weniger Fleisch und dafür mehr Fett. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, schließlich bildet Fett einen wunderbaren Geschmacksträger. Warum also nicht? Wenn man nicht zu viel davon isst, wird die schlanke Linie nicht leiden ...
    Als ich meinen ersten Schweinsbraten in Wien zubereitete, hielt ich mich genau an das Rezept meiner Mutter: Am Vortag den Braten salzen. So nahm ich den Salzstreuer und würzte etwas zaghaft den Braten – ich persönlich verwende nur wenig Salz, da mir der Eigengeschmack der Produkte lieber ist. Sonst hielt ich mich ganz genau an die Rezeptur. Aber das Ergebnis ließ zu wünschen übrig. Noch am selben Tag rief ich meine Mutter an und fragte sie empört, was sie denn gegen ihren eigenen Sohn habe. Ich erklärte ihr auch, wie wichtig es sei, dass Rezepte vollständig weitergegeben werden sollten und so weiter. Meine Mutter meinte nur lakonisch, sie werde mit mir gemeinsam, wenn ich das nächste Mal zu Hause sei, den Schweinsbraten nach dem vorliegenden Rezept zubereiten.
    Ein paar Wochen später, zu Hause im trauten Heim meiner Eltern, fabrizierte ich unter Anleitung meiner Mutter einen Schweinsbraten. Ich legte mir das Rezept zurecht, nahm das Fleisch und begann mit dem Salzstreuer das Fleisch zu würzen. Meine Mutter, wie ein Racheengel, entriss mir den Salzstreuer und bemerkte: „Sohn, mach die Hand auf!“ Ich formte mit der Hand eine Grube, und meine Mutter schüttete einige Deka Salz hinein. Dann sagte sie: „Das heißt salzen. Mit diesem Salz musst du das Bratl einsalzen.“ – „Aber Mama, der Schweinsbraten wird doch total versalzen!?“ Der Blick meiner Mutter ließ keinen Zweifel aufkommen, sie meinte es ernst. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass der Schweinsbraten hervorragend schmeckte ...
    Betrachten wir ein typisches Schweinsbratenrezept. Über das Fleisch haben wir schon gesprochen, das Salzen

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