Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
°C Garprozesse ein –, sollten Sie das Backrohr vorheizen.
Nach 45 Minuten nehmen Sie die Kasserolle heraus und drehen das Fleisch um. Die Schwarte ist nun butterweich – sie lässt sich leicht schneiden, sogar mit einem Buttermesser.
Ich kenne viele Menschen, die gerade an einer rohen Schwarte verzweifelt sind. Da wird mit einem guten Fleischmesser, mit einem Stanley-Messer oder sogar mit einem Skalpell versucht, die Schwarte zu zerteilen. Zum Glück passieren nur wenige schwere Handverletzungen. Aber diese Mühe kann man sich sparen. Die Schwarte kochte schließlich 45 Minuten lang in heißem Wasser. Dabei wandelte sich viel Kollagen in Gelatine um. Dadurch wurde dieses zähe Ungetüm weich. Nun lässt sich die Schwarte sogar mit einem Buttermesser schneiden. Mit ein wenig Übung können Sie sogar „Happy Birthday“ oder anderes hineinschnitzen ...
Warum sollte man überhaupt die Schwarte einschneiden? Nun, das Fleisch wird sich im weiteren Verlauf zusammenziehen – die Schwarte nicht. Damit entstehen mechanische Spannungen zwischen dem Fleisch und der Schwarte, und die Schwarte würde sich vom Fleisch lösen. Dies können wir verhindern, indem wir die Schwarte einschneiden. Diese sollte dann unbedingt noch einmal kräftig mit Salz eingerieben werden.
Danach gelangt das Fleisch wieder für rund 45 Minuten – ein größeres Stück Fleisch natürlich etwas länger – ins Backrohr, erneut bei 180 °C. Sollte nur noch wenig Flüssigkeit zur Verfügung stehen, unbedingt heißes Wasser oder Suppe nachgießen. Dann können wir uns entspannen. Zur Sicherheit, um das Fleisch nur ja nicht zu lange zu braten, könnte man ein Fleischthermometer in das Fleisch hineinstechen. Da aber eine Schweinsschulter als eher saftig gilt, dürften ein paar Minuten zu viel kein Problem sein.
Den Schweinsbraten brauchen Sie die ganze Zeit über nicht begießen. Warum auch? Das Fett unter der Schwarte beginnt zu schmelzen, und damit kühlt und befeuchtet es das darunterliegende Fleisch. Natürlich können Sie es übergießen, wenn Sie auf eine knusprige Schwarte verzichten möchten. Jedes Mal, wenn wir mit einer Flüssigkeit den Schweinsbraten übergießen, weichen wir die Oberfläche auf. Wir wollen aber eine möglichst harte, knusprige Oberfläche. Diese entsteht dadurch, dass Wasser aus der Oberfläche verdampft. Durch das Übergießen machen wir diesen Verdampfungseffekt wieder zunichte.
In den letzten Minuten kommt der wichtigste Teil – was die Kruste betrifft. Öffnen Sie das Backrohr einen Spalt – Wasserdampf wird entweichen – Vorsicht, heiß! Dadurch wird es im Backrohr sehr trocken. Nun wird die Wärme über die heiße Luft übertragen, und das Wasser auf der Oberfläche kann noch leichter verdampfen. Um diesen Prozess zu beschleunigen, verändern Sie die Einstellungen der Temperatur des Backrohrs noch einmal: Erhöhen Sie die Temperatur so stark wie möglich, bis zur pyrolytischen Reinigung. Das letzte Wasser wird nun auf der Oberfläche verdampfen – die einzelnen Stückchen der Kruste sollten so knusprig sein, dass sie zerspringen, wenn man sie zwischen Zunge und Gaumen zerdrückt. Dies dauert ein paar Minuten, oder Sie brauchen einen neuen Ofen. Leider ist das kein Witz.
Beim Backrohr meiner Mutter kommt es schon nach rund fünf bis acht Minuten zu einer wunderbaren Kruste, meines aber benötigt bis zu 15 Minuten, bis ich so halbwegs zufrieden bin. Ich wurde einmal gebeten, einen Schweinsbraten für die Medien zuzubereiten, und zwar im Backrohr des zuständigen Redakteurs. Es dauerte fast eine Stunde, bis die Kruste wirklich knusprig war. Man kann nicht einmal sagen, dass der Preis des Backrohrs ausschlaggebend ist, manche Backrohre sind besser als andere. Physikalisch bedeutet dies, dass das Backrohr einen hohen Anschlusswert haben sollte, sprich die elektrische Leistung sollte möglichst hoch sein.
Natürlich gibt es noch alte Backrohre, die mit Holz betrieben werden. Dort wird der Schweinsbraten besonders gut. Leider hatte ich, obwohl mir ein solches Backrohr zur Verfügung steht, noch keine Zeit, Messungen durchzuführen. Trotzdem, der Schweinsbraten gelingt dort besonders gut. Ich vermute, dass eine höhere Wärmeleistung möglich ist. Damit wird die Kruste einfach besser. Die Messergebnisse werden auf der Webpage www.diegenussformel.at veröffentlicht.
Eigentlich wären wir nun am Ende des Rezeptes. Aber so einfach ist es leider doch nicht. Für die Saftigkeit des Fleisches können wir noch einiges
Weitere Kostenlose Bücher