Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
Interessantes, das für die Physik des Kochens wesentlich ist: Es kommt zur Konvektion. Wenn ein Topf Wasser auf einer heißen Herdplatte steht, so wird zuerst der untere Bereich des Wassers erhitzt. Das Wasser dehnt sich aus und steigt auf. Dabei verdrängt es das obere kühlere Wasser. Bemerkenswerterweise steigt das Wasser immer in der Mitte des Topfes auf. Der Grund dafür ist ganz einfach. Ein Teil des aufsteigenden Wassers würde am Topfrand ein wenig auskühlen – über die Wärmestrahlung wird ein Teil der Wärme des heißen Wassers an die Umgebung abgegeben. Im oberen Bereich des Topfes kann ein Teil des Wassers abdampfen. Dadurch wird es wieder kälter, und da gleichzeitig von unten warmes Wasser nachdrängt, wird das abgekühlte Wasser am Rand des Topfes wieder nach unten sinken. Es entstehen sogenannte Konvektionsrollen. Wasser bewegt sich in der Topfmitte von unten nach oben, kühlt ab und sinkt auf der Seite wieder ab, um erneut erwärmt zu werden. Durch diesen Prozess wird die Wärme sowohl in einer Flüssigkeit als auch in einem Gas sehr gut verteilt.
Das hat aber auch wesentliche Konsequenzen für das Kochen von Knödeln. Erstens können sich Knödel nie in der Mitte des Topfes aufhalten – außer der Topf ist überfüllt. Aber dies sollte vermieden werden. Aufgrund der Bewegung des Wassers werden die Knödel immer zum Rand hinbewegt. Zweitens sollte das Wasser nicht kochen. Dafür gibt es zwei Gründe. Einerseits entstehen Dampfblasen. Diese können, wenn sie aufsteigen, die zarte Haut der Knödel beschädigen. Das muss nicht sein. Andererseits bewegen sich die Konvektionsrollen bei einer höheren Temperaturdifferenz viel schneller. Das kann dazu führen, dass die Knödel, die schön rund geformt sind, zu rotieren beginnen. Auch dies schadet der Oberfläche der Knödel, da die Oberfläche dann beim Rotieren einen Übergang von der Flüssigkeit zur Luft erfährt. Das ist einer der Gründe, warum Sie Knödel nur ziehen lassen dürfen.
Wird ein Topf von unten erwärmt, so entstehen Konvektionsrollen. Warmes Wasser steigt nach oben, kühlt dann oben ab und sinkt am Rand wieder nach unten. Befindet sich ein Knödel im Topf, so kann die Strömung die Oberfläche des Knödels beschädigen. Ist der Knödel wirklich rund, beginnt er sich zu drehen.
Ein anderer Grund ist vor allem für gefüllte Knödel wichtig. Stellen wir uns einen Marillenknödel vor, gefüllt mit einer Wachauer Marille. Den Kern haben Sie ersetzt durch ein Stück Marzipan, getränkt mit ein paar Tropfen Weinbrand – ein wunderbarer Gedanke. Dann kochen Sie den Knödel, er platzt im Kochtopf, und der herrliche aromatische Inhalt ergießt sich in den Kochtopf. Den Knödel können Sie vergessen. Warum konnte das passieren, obwohl Sie vorsichtig waren?
Sobald im Inneren eines gefüllten Knödels Temperaturen von über 92 °C entstehen, bilden sich kleinste Dampfbläschen – das Wasser dehnt sich aus. Im Knödelinneren entsteht ein erhöhter Druck, und der Knödel wird platzen. Das ist ein weiterer Grund, warum Sie gerade gefüllte Knödel nur ziehen lassen sollten.
Lustigerweise beginnen Knödel zu schwimmen, wenn sie gar sind. Was geschieht dabei? Die Knödel werden nicht leichter – es kommt ja nichts weg oder hinzu. Aber der Knödel verändert sich durch das Kochen. Wir möchten ja einen möglichst flaumigen Knödel. Flaumig bedeutet, dass sich während des Kochens viele kleinste Luftblasen bilden. Diese sind im rohen Knödel nur marginal vorhanden. Erst durch das Kochen können die mikroskopischen Luftbläschen durch den Wasserdampf aufgebläht werden. Der Knödel wird flaumiger und dabei auch um eine Spur größer. Geht der Knödel auf, ist er fertig und auch größer geworden. Das Volumen wächst. Das ursprüngliche Volumen verdrängte weniger Wasser, dadurch sank der Knödel zum Topfboden. Nun aber schwimmt er.
Weil wir schon beim Kochen von Knödeln sind, können wir auch gleich das Problem der Nudeln angehen. Gehört ein Tropfen Öl ins Kochwasser oder nicht, und wie verändert das Salz das Kochverhalten des Nudelwassers? Natürlich gehört Salz in das Kochwasser. Manche vermuten, dass der durch das Salz herbeigeführte Siedeverzug für das Kochen von Nudeln wichtig ist. Unter dem Siedeverzug versteht man, dass die Flüssigkeit erst bei höheren Temperaturen zu sieden beginnt. Damit hätten wir eine höhere Kochtemperatur, und die Nudeln wären früher fertig – besagt die Hypothese. Ich habe es selbst
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