Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
Semmelbrösel darin anrösten. Die fertigen Knödel darin wälzen und dann auf einem Teller liebevoll anrichten. Mit Staubzucker dekorieren.
Osmose und Diffusion
Kommen wir nun zu den wirklich schwierigen Dingen in der Zubereitung von Lebensmitteln: das Kochen von Würsten und die Zubereitung einer guten Suppe mit einem wunderbaren Stück Tafelspitz (auch manchmal als Hüftdeckel bezeichnet). Ich kann mich noch gut erinnern, als ich ein kleiner Bub war und mein Vater mit meiner Mutter über die Zubereitungsart einer Speise diskutierte. Damals meinte mein Vater: „Bevor du weitersprichst, überlege dir doch einmal, wie man eine Knacker richtig kocht.“ Um welche Speise es sich handelte und wer dann letztendlich bei der Diskussion gewonnen hatte, weiß ich nicht mehr. Oft musste ich an den Spruch von meinem Vater denken, dass man zuerst „Knackerkochen lernen sollte“. Als ich dann mit dem Physikstudium begonnen hatte, wusste ich, dass es nicht eine bloße Redewendung war, sondern hier tatsächlich mehr verborgen ist. Übrigens finden Sie im Kapitel „Wörterbuch: Österreichisch-Deutsch“ keine Entsprechung für Knacker. Die Knacker, so wie sie in Österreich üblich sind, gibt es in Deutschland nicht. Aber kommen Sie nach Österreich und genießen diese Wurst – als Salat, gekocht, gebraten, gegrillt oder aufgeschnitten mit Zwiebel und Senf in der Mitte oder einfach nur zum Abbeißen ...
Die Opferwurst
Die meisten Menschen kochen Würstel, indem sie einfach einen Topf nehmen, Wasser hineingießen, die Würstel hineinlegen, den Herd einschalten und ihn rechtzeitig wieder ausschalten. Da gibt es doch keine Physik, die schwierig wäre, sie zu verstehen, am ehesten noch der Strom in den Herdplatten, nicht?
Aber was beobachten wir, wenn wir Würstel kochen? Am Ende des Kochvorgangs wird das Wasser schmierig, es bildet sich ein weißlicher, extrem überwürzter Schaum, der nicht besonders gut aussieht. Woher kommt dieser Schaum?
Betrachten wir den Effekt der Diffusion. Nehmen wir ein Glas mit Wasser und geben einen Teelöffel Salz oder Zucker hinein. Die Kristalle sinken auf den Boden. Warten wir ein paar Tage, so können wir erkennen, dass die Kristalle verschwunden sind, das Wasser aber komplett salzig oder süß, je nach dem, schmeckt. Natürlich ist das Salz nicht einfach verschwunden – es hat sich aufgelöst und überall gleichmäßig im Glas verteilt. Warum? Die einzelnen Wasserteilchen haben durch ihre Eigenbewegung einzelne Atome aus dem Kristallgitter der Salz-oder Zuckerkristalle herausgelöst und dann in der restlichen Flüssigkeit verteilt. Diesen Effekt der gleichmäßigen Verteilung nennt man Diffusion. Je höher die Temperatur ist, umso schneller werden sich Stoffe auflösen und gleichmäßig verteilen.
Kommen wir nun zu unserem Würstel – es ist egal, um welche Wurstart es sich handelt. Legen wir es ins Wasser, so lösen sich im Laufe der Zeit Fette, Salze und Geschmacksstoffe aus dem Würstel und gehen in die Flüssigkeit über. Kochen wir ein Würstel, so geschieht dies umso schneller, und es bildet sich dieser unansehnliche Schaum. Der stammt aus dem Inneren des Würstels. Nun könnte man fragen, ob man nicht froh sein sollte, dass man diesen Schaum nicht essen muss, aber das Würstel verliert seine Würze. Es wird durch das Kochen ausgelaugt.
Gibt man einen Löffel Zucker in Wasser, so löst sich der Zucker auf. Die einzelnen Wassermoleküle lösen einzelne Zuckermoleküle heraus, und durch die Bewegung der einzelnen Wassermoleküle werden die Zuckermoleküle im gesamten Glas verteilt. Dies kann aber einige Zeit dauern.
Sie können dieses Problem leicht lösen, benötigen dafür aber eine sogenannte „Opferwurst“. Diese Wurst wird zerkleinert und ausgekocht. Dabei gehen extrem viele Fette, Salze und Geschmacksstoffe in die Lösung über. Diese Wurst können Sie dann Ihrem Hund oder Ihrer Katze geben – oder einfach wegwerfen. Durch die „Opferwurst“ haben wir eine gesättigte Lösung erhalten. Legen wir nun in diese Lösung eine andere Wurst, so wird sich aus dieser nichts mehr herauslösen können – die Lösung ist ja schon gesättigt. Kochen wir in diesem Sud unser Würstel, so wird dieses viel besser schmecken, da noch alle Inhaltsstoffe drinnen sind. Wir mussten nur eine Wurst opfern, damit die anderen besser schmecken. Natürlich ist es ein bisschen snobistisch, wenn man für ein Paar Frankfurter (nicht zu verwechseln mit Wiener Würstchen, diese
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