Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
Vom Netzwerk:
Zigarette schmeckte ganz anders als meine übliche Capstan.
    »Stagg, so wie ich es sehe, müssen Sie Ihrem Instinkt vertrauen. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl und denken Sie bloß nicht, dass Sie auf die Amerikaner hören müssen, nur weil ich hier das Sagen habe. Ich brauche nur die richtige Entscheidung - aus welchem Land der Kopf kommt, dem sie entstammt, ist völlig egal.«
    Eisenhowers Fahrerin überprüfte im Rückspiegel ihren Lippenstift. Das Gerücht ging um, dass sie sein Bett teilte. Als sie aufsah, erwischte sie mich beim Starren. Ich wurde rot, aber sie lächelte nur und öffnete ihre Puderdose. Ich dachte an Joan und Gwen und was wohl aus ihnen geworden war - und dann an Gill Ryman. Ich hatte ihr immer noch nicht geschrieben, und dieses Versäumnis verfolgte mich. Ich ekelte mich vor mir selbst.
    »Einige meiner Kollegen würden Sie am liebsten ersetzen«, fuhr der Oberbefehlshaber munter fort, »aber ich weiß, dass Sie der Richtige für den Auftrag sind, Stagg. Also geben Sie uns einfach weiter die Vorhersagen durch. Wir brauchen nur ein paar schöne Tage. Sagen Sie mir so früh wie möglich Bescheid. Im Moment rechnen wir immer noch mit dem 5. Juni, vorausgesetzt alles passt zusammen.«
    Ich schluckte und sah besorgt in den Himmel. Es sollte also doch Montag losgehen.
    Eisenhower trat die Zigarette mit dem Absatz aus und setzte sich wieder in den Packard. Mit einem letzten Blick in den Spiegel und einem Gesichtsausdruck, der zu sagen schien, »damit bin ich zufrieden«, steckte die Fahrerin ihr Make-up wieder ein, und sie fuhren mit dem eleganten Wagen über den Kies Richtung Tor. Am Kontrollpunkt wurden sie von den Militärpolizisten einfach durchgewinkt.
    »Vielleicht haben wir ja morgen gute Neuigkeiten für Ike«, sagte Stagg mutlos.
    Wir sahen, wie sich das Tor am Kontrollpunkt wieder schloss. Die Möglichkeit, eine richtige Vorhersage abzuliefern, schien so fern wie ein Planet, der noch nicht entdeckt war.
     

JUNI
1.
    Bei der Konferenz am Donnerstagmorgen - dem 1. Juni - sagten Petterssen und Douglas vorher, dass das Wetter des kommenden Wochenendes Teil einer langen, wandernden Kaltfront sei, die mindestens eine Woche lang das Wetter bestimmen werde. Krick und die anderen in Widewing waren überzeugt, dass es mit dem schlechten Wetter morgen vorbei sein würde. Dann würden Stagg, Yates und ich schon in Portsmouth sein, wo wir uns mit dem Rest des Stabs treffen sollten, dachte ich.
    »Ich persönlich blicke Montag sehr optimistisch entgegen«, sagte Krick. »Sie sehen doch, wie dieser Ausläufer des Azorenhochs den Kanal vom schlechten Wetter abschirmen wird. Er wird wie eine Blase den Eingang versperren. Oder wie ein Finger im Deich.« Er hörte einfach nicht auf, von diesem Finger zu reden.
    Am Nachmittag fuhr ich mit Stagg und Yates in einem Wagen der RAF nach Portsmouth: drei schwer besorgte Männer, die still dasaßen. Der Ernst der Lage wurde durch die langen Staus des Kriegsverkehrs noch unterstrichen, die die Fahrt stark verzögerten. Unterwegs fiel mir plötzlich ein, dass ich arrangiert hatte, dass die alten Instrumente von WANTAC nach Bushey Park geliefert wurden und nicht nach Portsmouth. Wenn wir angekommen waren, musste ich gleich als Erstes anrufen. Ich fragte mich, ob sie schon abgeholt worden waren. Ich stellte mir vor, wie der Pilot - vielleicht ja Reynolds selbst - im Tiefflug die Leine mit der Tasche einhakte und dann das Flugzeug wieder hochzog, während die Fracht darunter baumelte, bevor sie von einem Crewmitglied eingeholt wurde.
    Während wir in einem Militärstau standen - Panzer, Truppentransporter, Dienstwagen und Lastwagen auf Lastwagen voller Soldaten -, dachte ich daran, dass ich bald sehr nah bei Gill Ryman sein würde. Ich war auf dem Weg nach Portsmouth, sie befand sich auf der Isle of Wight, direkt auf der anderen Seite des Solent. Wieder ließ mich die Tatsache vor Selbstekel zusammenzucken, dass ich ihr noch nicht geschrieben und mich für den Tod ihres Mannes entschuldigt hatte. Es mochte vor dem Hintergrund der Bedeutsamkeit dessen, was ich jetzt tat, unerheblich wirken, aber in meinen Gedanken konnte ich Rymans Tod nicht von der bevorstehenden Invasion trennen. Seine Zahl schien mir allerdings unerreichbarer als je zuvor. An ihre Stelle war die Angst gerückt sowie eine seltsame Mischung aus Verlangen und Bewunderung seiner gestohlenen Braut, als die ich Gill merkwürdigerweise sah.
    Ich erschrak, als ein Stechen mir Nasenbluten ankündigte. Nachdem

Weitere Kostenlose Bücher