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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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für diesen Zufall verantwortlich. Durch die kleinen Löcher im Hörer erzählte ich Petterssen von dem Seelöwen in Kilmun und erwähnte auch »ein Projekt, das mit Eis zu tun hatte«, an dem ich kurz mitgearbeitet hatte, wobei ich darauf achtete, keine Details zu verraten.
    »Ach, darüber weiß ich Bescheid«, erwiderte er munter. »Das Eisbergschiff. Projekt Habbakuk. Aber ich hatte selbst nichts damit zu tun. Ich habe ihm einmal kurz dabei geholfen, ein leistungsfähiges Schneefahrzeug zu planen. Es sollte mit einer Archimedischen Schraube angetrieben werden. Ich glaube, er arbeitet immer noch daran.«
    »Projekt Habbakuk wurde abgebrochen«, sagte ich. »Pyke ist einfach verschwunden. Mir hat keiner etwas gesagt. Das war, kurz bevor ich hierhergekommen bin.«
    »Typisch für Pyke. Wissen Sie, wo er jetzt ist?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Ich habe nichts von ihm gehört.«
    »Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass er in Belsize Park war.«
    Es knackte leise in der Leitung. Petterssen brummte etwas auf Norwegisch. »Wie bitte?«, fragte ich.
    »Ich habe gesagt, >Wir können euch hören<, der Geheimdienst hört mit. Anscheinend hat jemand gehört, wie ich Larry Hogben erklärt habe, dass ich Pazifist bin. Dann haben die mich besucht und mich zurechtgewiesen.«
    »Sind Sie denn wirklich einer?«, fragte ich und dachte an Ryman.
    »Ich bin nur in der Hinsicht Pazifist, dass ich davon überzeugt bin, dass der Faschismus den Krieg fördert, und dass man ihm deshalb so entschieden wie möglich entgegenwirken muss. In den richtigen Umständen würde ich eine Waffe abfeuern. Auch im Zorn. Meine Familie ist immer noch in Norwegen unter deutscher Besatzung, müssen Sie wissen.«
    »Das tut mir leid.«
    »Es geht nicht nur um sie«, sagte er nachdrücklich. »Der D-Day muss um unser aller willen gelingen. Der Nationalsozialismus ist eine Art formloser Schrecken, der sich immer weiter ausbreitet und alles und jeden an sich reißt, wenn wir ihn nicht aufhalten.«
    Es gab eine Pause, während der ich mir - durch die wundervolle Zauberei des Telefons - die Hütten in Dunstable vorstellte, von wo aus er sprach. »Wie geht es Douglas?«, fragte ich.
    Petterssens Kollege war auf den letzten Konferenzen sehr still gewesen.
    »Wie immer. Naja, er spürt die Belastung wie wir alle. Neulich ist er mit seinem Baby im Kinderwagen hinauf zur Spitze der Dunstable Downs gegangen, dem höchsten Punkt in der Umgebung, und hat sich die Wolken angesehen. Er benutzte einen Ast als Nephoskop und notierte sich die Windrichtung und -stärke - all das hat er mir später erzählt -, und er ist so tief in diesen Beobachtungen und Überlegungen versunken, was sie für die Invasion bedeuteten, dass er das Baby im Kinderwagen oben stehen gelassen hat, als er nach Hause ging. Haben Sie Kinder, Meadows?«
    »Nein.« Damals kam mir die Frage völlig abwegig vor, doch seitdem habe ich es noch oft bereut, dass ich keine habe.
    »Ich habe zwei Töchter, Eileen und Liv«, sagte der Norweger mit zitternder Stimme. »Sie sind in meinem eigenen Land gefangen. Ich sehne mich danach, dass dieser Krieg endlich vorbei ist und sie wieder frei sind. Wenn es um die eigene Familie geht, um die eigenen Kinder ... dann würde sich jeder mit Zähnen und Krallen wehren ...«
    »Unsere Arbeit hier ist außerordentlich wichtig«, sagte ich, um die tiefe Traurigkeit in seiner Stimme nicht überhandnehmen zu lassen.
    »Kann ich offen mit Ihnen sprechen, Meadows? Ich glaube nicht, dass diese gemeinschaftliche Arbeit mit den drei meteorologischen Standorten die beste Herangehensweise ist. Es ist unwissenschaftlich, viel zu kompliziert - eigentlich blanker Wahnsinn. Ich habe Sir Peter darauf angesprochen, ich war schockiert über seine Antwort. Der Grund, den er mir dafür gab, war, dass die Verantwortung nicht einem einzelnen nationalen Wetterdienst zufallen würde, wenn etwas schiefläuft.«
    Seine Stimme wurde härter, sein Akzent norwegischer. »Und nur deshalb haben wir Stagg. Einfach nur, um die verschiedenen Meinungen zusammenzubasteln. Ich persönlich kann nicht verstehen, warum Sir Peter ihn auch nur für diese Aufgabe bestellt hat, ganz zu schweigen vom meteorologischen Hintergrund, der bei Stagg miserabel ist. Er ist kein Diplomat. Nicht einmal in den entscheidenden Momenten unserer Konferenzen kann er seinen Stolz etwas zurücknehmen.«
    Ich hatte das Gefühl, Stagg verteidigen zu müssen. Er war zweifellos manchmal etwas barsch, aber auch fair und

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