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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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auf dem sich riesige Wolken von ihnen sammeln.«
    Mackellar lachte in sich hinein.
    »Mit Afrika kenn ich mich nich aus, aber ich kann Ihnen sagen, wie das hier is mit den Mücken. Sie werden schon sehen, dass ich recht hab. Wenn Sie die Biester in Ruhe lassen, kümmern die sich auch nicht um Sie, das schwör ich. Die gehen dahin, wo sich in der Luft was bewegt, also bleiben Sie schön still, auch wenn die Viecher um Sie herumtanzen. Für jeden Schlag, den Sie denen geben, kriegen Sie zehn Stiche zurück. Außerdem mögen die feuchtes Wetter, also gehen Sie lieber nach draußen, wenn die Sonne rauskommt. Und über Salzwasser fliegen die auch nicht.«
    Er versetzte dem Pferd einen kräftigen Peitschenhieb, und hinter dem Hang kam Stück für Stück das Holy Loch in Sicht. Ich sah die Köpfe von zwei Seehunden aus dem Wasser stechen. Sie sahen aus wie Soldatenhelme.
    »Warum heißt es Holy Loch?«, fragte ich.
    Mackellar zuckte die Schultern. »Da gibt's viele Geschichten.« Er führte es nicht weiter aus.
    Im Loch fielen sofort die drei grauen Schiffe der Navy auf, die alle eine Anzahl von U-Booten um sich geschart hatten. Vor ihnen erstreckte sich das Dorf Kilmun.
    Wir sollten damals nicht über die Namen der Schiffe sprechen - Poster mit entsprechenden Warnungen hingen überall -, aber ich erfuhr bald, dass es sich bei den drei Mutterschiffen um die HMS
Förth, Titania
und
Alrhoda
handelte. Von hier verteilte sich der U-Boot-Schwarm auf seiner tödlichen und gefährlichen Mission in den Atlantik, von der manche Boote nie wiederkamen.
    »Sie ham 'ne Verabredung mit dem Propheten?«
    »Sie meinen Professor Ryman?«
    »Für uns ist er der Prophet.«
    »Oh.«
    »Er berät uns«, sagte mein nussbrauner Chauffeur. »Wann wir aussäen sollen. Wann der Mond eine Kuh kalben lässt. Wann die Lachswanderung anfängt. Wie man selber Unkrautvernichter macht und womit man sich die Mücken vom Hals hält. So was eben.«
    »Aber so etwas wissen Leute vom Land doch bestimmt schon selbst?«
    »Ammenmärchen«, erwiderte er abschätzig und stellte das Vorurteil auf den Kopf, das ich mir von ihm gebildet hatte. »Volksbräuche und so was. Meine Frau glaubt natürlich an den ganzen Kram. Wenn die Milch überkocht, heißt das, dass einer krank wird, glaubt sie, Schnecken und Tabak bringen Unglück und vor allem: Wenn die Vögel vor 'ner Bö herjagen, ist 'n richtig steifer Ziegenschinder im Anmarsch, der dich glatt von den Socken pustet.«
    Nachdem ich ihn gefragt hatte, was genau ein »Ziegenschinder« war, konnte ich entziffern, dass er wohl gesagt hatte, »wenn die Vögel kurz vor einer Windbö umherflattern, kommt bald ein Sturm, der einen aus dem Gleichgewicht bringen kann«. Schottisch sprach er immer etwas schneller als Englisch.
    »Mir sind aber die Vorhersagen vom Propheten lieber«, setzte er fort. »Der ist immer mit 'nem Gewehr unterwegs. Das sehen Sie aber bald selber.«
    Der Himmel hatte sich zugezogen. Das Holy Loch sah jetzt kalt und grau aus, die Oberfläche mit einem Muster aus weißen Katzenpfoten bedeckt, jede Wellenlinie auf Physik und Chemie basierend, selbst die Wolken, die sich im Wasser spiegelten.
    »Da wohnt der Prophet«, sagte Mackellar und deutete mit der Peitsche auf ein solides, quaderförmiges, magnolienfarben gestrichenes Haus, das ein Stück von der Straße entfernt hinter einer Feldsteinmauer zwischen den Gärten stand. »Mein Hof ist gleich dahinter.«
    Auf einem Hügel oberhalb von Rymans Haus (das wohl georgianisch war und zwei Erkerfenster hatte) sah ich eine weitere Mauer und dahinter ein Bauernhaus mit Nebengebäuden. Dort standen auch Ställe und eine Scheune voller Heu sowie einige Gewächshäuser. In dem Feld zwischen dem Bauernhof und Rymans Haus stand ein viel älteres Steingebäude neben einem Trog, aus dem zwei Hochlandrinder tranken. Weiter oben war ein Buchenwäldchen. Mackellar erzählte mir, dass durch die Bäume ein Bach mit einer kleinen Brücke floss.
    Weiter oben lag der Forst: eine düstere Reihe Fichten nach der anderen, nur an Stellen unterbrochen, wo Holz geschlagen worden war, und dort, wo die lange Stahlrutsche verlief. Sie sah aus wie von einem Kinderspielplatz. »Die Waldarbeiter schicken damit die Stämme runter«, erklärte Mackellar, als er meinem Blick folgte.
    Wir hatten am schmiedeeisernen Tor vor Rymans Haus angehalten, das mit einem Sonnenmotiv und den Tierkreiszeichen geschmückt war. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich mich in eine Gegend verirrt hatte, in

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