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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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bei Ihrem Krieg wollen, gebe ich Ihnen gerne einen friedlichen Rat. Das Ausmaß des Unerwarteten kann so beeinflusst werden, dass sich die Wahrscheinlichkeit der Vorhersage erhöht. Sie müssen auf die Schichten und Grenzen der Wettersysteme achten, um die Berechenbarkeit zu verbessern. Jede Schicht hat eine andere Berechenbarkeit. Sie müssen sich auf die Barrieren zwischen diesen unterschiedlich beschaffenen Strömungen konzentrieren. Die Breite einer Strömung ist von zentraler Bedeutung wie auch ihre Tiefe und ihre Dauer. Entscheidend sind also der Ort und die Zeit Ihrer Beobachtung. Denken Sie nicht an das Invasionsdatum, damit legen Sie sich selbst Ketten an. Denken Sie lieber an Ihre Daten. Wie passen diese in den Kontext ihrer Umgebung?«
    Ich schlug mir an den Hals. Meinte er wirklich, dass wir einfach nur genauer messen mussten? Falls ja, war sein Geheimnis der Wettervorhersage völlig lächerlich. Ich hätte ihn am liebsten von der Brücke ins Wasser gestoßen.
    Ich zündete mir eine Zigarette gegen die Mücken an - und weil ich Mut brauchte, um auszusprechen, was ich dachte. »Was Hitler tut, ist falsch. Moralisch falsch. Das müssen Sie doch auch so sehen. Wenn es Ihnen wirklich darum geht, Mord und Totschlag zu vermeiden, dann helfen Sie mir.«
    »In Ordnung.« Er zeigte mit der leeren Milchflasche auf den Bach. »Sehen Sie. Die Milch ist nicht mehr da. Man muss immer daran denken, dass Turbulenz für sich mit der Zeit schwindet, bis sie aus neuen Energiequellen regeneriert wird. Und an dieser Stelle kommen Fragen der Ausmaße und des Kontexts ins Spiel. Der Barrieren, Grenzen und zeitlichen Abstimmungen. Anfänge, Mitten und Enden. Darum geht es. Diese Größen beeinflussen die Berechenbarkeit verschiedener atmosphärischer Schichten. Sie müssen die sogenannte Ryman-Zahl für jeden Teil des Ganzen finden. Problematisch ist allerdings, dass sie sich bereits geändert hat, wenn Sie den nächsten Teil betrachten. Die Uhr tickt die ganze Zeit, während Sie sich durch den Raum bewegen. Von dieser grundlegenden Beziehung hängt so ziemlich alles ab.«
    Das war wohl der Moment der Enthüllung, auch wenn er überhaupt nicht so wirkte. Ich war unzufrieden. Die Information, die ich suchte, war schwerer zu fassen als je zuvor.
    Es war wohl dumm gewesen, dass ich erwartet hatte, dass die Antworten wie die Baumstämme herunterpoltern würden. Doch eindeutig war ich Ryman etwas schuldig.
    Ich gab ihm die Hand. »Vielen Dank. Ich glaube, jetzt verstehe ich es besser. Ein paar Fragen habe ich aber noch.«
    Er sah mich kühl an, als würde ich mein Glück herausfordern. »Bitte.«
    Alles, worüber ich nachgedacht hatte, kam auf einmal heraus. »Wenn es um eine Invasion von Frankreich oder Belgien geht, wie lang sind die benachbarten Küstenabschnitte, für die wir eine Wettervorhersage brauchen? Wie lange vor der Invasion kann die entscheidende Wettervorhersage gemacht werden? Wie weit über die direkte Umgebung des betreffenden Teils des Kanals hinaus müssen Wettersysteme anderen Ursprungs einberechnet werden?«
    »Ach, um Gottes willen«, sagte er und zog die Augenbrauen hoch. »Die Ränder sind immer gefährlich. Sie müssen versuchen,
alle
Grenzen,
alle
Barrieren zu verfolgen. Das will ich Ihnen doch die ganze Zeit erklären. Und vergessen Sie nicht: Eine Barriere zwischen zwei Wettersystemen kann auch ein schmaler Korridor für ein drittes sein. Haben Sie ein besonderes Augenmerk auf das, was diesen Korridor entlangfliegt, Henry. Das kann kilometerweit in der Umgebung alles verändern.«
    »Aber ich weiß nicht, wie ich diese Unterscheidungen treffe! Ich habe einen Küstenabschnitt von achtzig Kilometern, und ich weiß nicht, wo ich Ihre Anfänge, Mitten und Enden setzen soll.«
    Er seufzte. »Benutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand, wenn Sie die verschiedenen Zonen miteinander in Beziehung setzen. Wo Sie nicht messen können, müssen Sie annähern. Setzen Sie Zufallswerte sinnvoll ein.«
    Ich hatte das Gefühl, hinter mir etwas zu hören. Etwas weit Entferntes und offenbar Unwichtiges, von dem in Wirklichkeit aber eine gewaltige Gefahr ausging. Doch wusste ich nicht, was es war, wenigstens nicht sofort. Ich hielt es erst für eine Mücke oder vielleicht für irgendeinen mechanisch surrenden Arbeitsvorgang in den Hügeln oder auf dem Wasser. Cowal war im Krieg voll solcher Geräusche.
    Rymans Stimme wurde etwas wärmer. »Tun Sie vor dem Militär aber nicht so, als ob es alles berechnet werden könnte,

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