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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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Henry. Das kann es nicht. Noch nicht. Dazu fehlt uns die Rechenleistung. Selbst wenn sich alle Mitarbeiter der alliierten Wetterdienste zusammensetzen und wie in meiner Phantasie mit der Albert Hall alle nur einen kleinen Teil der Berechnungen bearbeiten. Dafür brauchten wir Maschinen.«
    Damit wandte er sich ab, als wollte er gehen, bevor er sich noch einmal umdrehte und mir dort auf der Brücke direkt in die Augen sah. »Mir fällt gerade auf, dass Sie mich nicht nach Gill gefragt haben. Sie denken doch darüber nach?«
    Ich nickte, und als er ging, war ich mir unsicher, was für einen Vertrag, wenn überhaupt, ich soeben geschlossen hatte - das stellte sich allerdings als die geringste meiner Sorgen heraus.
     

8.
    Während ich zusah, wie Rymans große Silhouette sich über die Weide entfernte, wurde mir klar, was dieses vertraute Geräusch war, das ich gehört hatte. Es war das deutsche Flugzeug, das im Tiefflug auf uns zukam. Wir drehten uns beide danach um. Ohne nachzudenken, rannte ich, so schnell ich konnte, zum Anfang des Buchenpfades, wo ich die erste Ballon-Startvorrichtung aufgebaut hatte.
    Das Flugzeug drehte bereits ab, als es über uns war, und richtete sich für den erneuten Überflug aus. Sie hätten Ryman erschießen können, wenn sie es gewollt hätten. Vielleicht machten sie wirklich nur Fotos ...
    Ich drückte den Hebel. Nun stiegen sie hinter den Bäumen auf, einer nach dem anderen, und schaukelten und drifteten ... ein Heer von Cracker-Ballons, jeder einzelne mit einem Sprengsatz, jeder einzelne konnte gewaltigen Schaden anrichten.
    Als ich zwischen den Bäumen hervortrat, sah ich Ryman mit wütendem Gesicht zurückrennen, in Richtung des steigenden Schweifs des letzten Ballons. Was hatte er vor? Es war, als fühlte er sich von der Waffe beleidigt und wollte sie aus dem Himmel pflücken. Einige der Ballons waren bereits explodiert. Das Flugzeug, das jetzt zum zweiten Mal über uns kam, hatte eine Reihe von Ballons vor sich, die ungleichmäßig durch die Luft stiegen, und der Wind machte es unmöglich, vorauszusagen, wo einer von ihnen im nächsten Moment sein würde.
    Peng! Peng!
    Sie explodierten in verschiedenen Höhen. Große rote Feuerbälle am Himmel.
Peng!
Dann weiße Blitze, als das Magnesium sich entzündete und aufflackerte.
    Es gab einen Höllenlärm. Der Himmel war sofort voller Rauch, und der beißende Geruch von brennendem Benzin verbreitete sich in der Luft. Ich hörte mich jubeln.
    Schwarzer Rauch senkte sich herab. Durch den Qualm sah ich Ryman, der jetzt wieder näher war. Über ihm dröhnten die Motoren des Flugzeugs. Zu meinem Entsetzen bemerkte ich, dass Ryman im Weg eines der Ballondrähte stand, des letzten, der nach unten getrieben war. Der Draht verfehlte ihn. Als er an Ryman vorbeiflog, gab es einen lauten Knall am Schweif des Ballons, der danach in Flammen aufging. Ich sah Ryman zusammenzucken, sich ducken und sich dann zu meiner Erleichterung in der neuen schwarzen Rauchwolke aufrichten, offenbar unverletzt.
    In dem Augenblick aber drehte der Wind. Der Ballon trieb in die entgegengesetzte Richtung, der Draht schwang hin und her, und die verkohlte Schachtel drehte sich. Die Kupferdrahtantenne geriet in eine kreisende Pendelbewegung, als sie den wirbelgetriebenen Bewegungen des Ballons folgte, an dem sie hing, und mit den Resten der Schachtel als einer Art Anker, den der Wind erfassen konnte, wickelte sie sich in schnellen Umdrehungen um Rymans Hals. All das passierte in einem einzigen Augenblick. Wie gelähmt sah ich zu, als der Ballon Ryman über das Feld schleifte. Die mechanischen Bewegungen seiner Beine sahen auf grausame Weise lustig aus.
    Ich rannte auf ihn zu. Was zum Teufel glaubte er, was er da tat?
    Über uns wurden immer noch andere Ballons hin- und hergetrieben. Lodernde Magnesiumstückchen rieselten um mich herum aufs Gras. Als ich bei Ryman ankam, war sein Gesicht hellrot. Sein Gewicht gab dem Ballon einen gewissen Halt, aber er rutschte immer noch über die Weide. Ich ergriff Rymans strampelnde Beine und zog ihn zu mir herunter, während er verzweifelt an dem Draht um seinen Hals riss.
    Ich machte es nur noch schlimmer. Der Draht zog sich zu. Eine Schlinge. Wie bei Mackellars Kaninchenfallen. Meine Knie begannen zu zittern. Das Gefühl des
Kizunguzungu
kehrte zurück.
    Ryman hatte Schaum vor dem Mund. Ich versuchte wieder, den Ballon herunterzuziehen, doch jetzt änderte es nichts mehr an der Spannung des Drahtes, der seine Schlinge zugezogen hatte.

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