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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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Panisch wickelte ich mir den Draht um die Finger und versuchte, ihn so zu lösen, aber er schnitt nur noch tiefer in Rymans Adamsapfel und drückte ihm die Luft ab. Seine Augen traten aus den Höhlen, und sein Gesicht wechselte die Farbe von Rot zu Blau. Dann fiel sein Kopf nach vorne und Blut trat ihm aus den Nasenlöchern.
    Es hatte keinen Sinn. Ich musste mit irgendetwas den Draht durchtrennen. Ich ließ Ryman hängen und rannte ins Haus, um nach einer Zange zu suchen. Ich weiß noch, wie ich verzweifelt alles von meinem Schreibtisch fegte und ein halbes Dutzend Kisten auskippte, bis ich endlich eine Blechschere fand. Wie benommen lief ich wieder nach draußen, wo Rymans Körper immer noch vom Rauch eingehüllt an dem Ballon hing. Ich rannte auf ihn zu, um ihn zu befreien, wobei ich mehrmals stolperte und ins Gras fiel, während das Flugzeug immer noch über uns kreiste. Ich schnitt den Draht über ihm durch, und er fiel auf den Boden, sodass ich mich der Schlinge widmen konnte. Aber es war zu spät. Sein Gesicht blieb so geschwollen wie der Ballon, dessen Antenne ihn erwürgt hatte. Er muss wohl schon tot gewesen sein, bevor ich ins Haus lief. Stöhnend fiel ich neben der Leiche auf die Knie. Die Erde schien zu beben, als würden sich tief unter mir die Felsen spalten.
    Das Flugzeug flog noch einmal über mir vorbei. In dem Augenblick gab es eine weitere Explosion in der Luft. Ich sah hinauf. Einer der Motoren rauchte - ich nahm an, weil sich ein Draht und eine Schachtel gefolgt von einem Ballon ins Triebwerk gezogen hatten, genau wie geplant.
    Es gab allerdings kein großes Finale, wenigstens nicht gleich. Die Junkers taumelte nur kurz und schien dann unerschütterlich ihren Kurs ins blaue Licht des Horizonts fortzusetzen und mich mit meinem Unglück zurückzulassen. Was ich nicht sah, was später geschah in einem anderen Teil des Bildes, waren Fallschirme, die sich öffneten, Männer, die zur Erde fielen.
     

9.
    Vom Rest des Tages habe ich nur verschwommene Erinnerungen an Sanitäter, Krankenwagen und Polizisten. Ich trug oder schleifte Rymans Leiche zur Kate und legte sie davor ins Gras. Dann ging ich hinein, um die nötigen Anrufe zu tätigen. Hinterher setzte ich mich erschrocken über mich selbst neben der Leiche vor die Tür, konnte ihr aber nicht ins Gesicht sehen. In mir war etwas zerbrochen.
    In meiner Nutzlosigkeit bestätigt, saß ich auf der Treppe, während Polizisten und Sanitäter sich umsahen. Später kamen die Mackellars dazu - sie waren auf dem Markt in der Stadt gewesen und gerade mit der Kutsche zurückgekehrt.
    Die Peitsche noch in der Hand, stapfte Mackellar durch das Gras auf mich zu. Irgendjemand hatte ihm offensichtlich gesagt, dass ich verantwortlich für das Geschehene war. Zunächst stand er nur mit seinem zerfurchten Gesicht vor Wut bebend vor mir. Ich wollte gerade etwas sagen, als er die Peitsche hob und anfing, auf mich einzuschlagen, wobei er Flüche ausstieß. Ich duckte mich dort auf der Stufe und rollte mich unter dem Hagel stechender Schläge in Embryostellung zusammen.
    Schließlich - nach einer scheinbar unglaublich langen Zeit - zogen ihn zwei Polizisten von mir weg.
    Ich wischte mir das Blut aus dem Gesicht und setzte mich wieder hin, gefangen in einer schrecklichen Unbeweglichkeit aus Elend und Schmerz. Für den Schmerz war ich fast dankbar, da ich das Gefühl hatte, mich selbst noch nicht genug bestraft zu haben. Ich spürte nur eine fürchterliche Taubheit und ein Schwindelgefühl: O ja, es war mit voller Wucht zurückgekehrt.
    Der Krankenwagen nahm Rymans Leiche mit. Als sie ihn einluden, fiel seine Brille herunter. Ich konnte nicht mehr zusehen. Während die Tränen mir über das blutverschmierte Gesicht liefen, stand ich auf und ging in die Kate. Ich wusch mir das Gesicht und versuchte die Blutung mit einem Handtuch zu stillen. Ich sah furchtbar aus.
    Fragen schössen mir durch den Kopf... Was war der
Sinn
des Ganzen gewesen? Ich musste Gill sofort ein Telegramm schicken, dachte ich. Doch was sollte ich ihr sagen? Der Gedanke, Sir Peter unter die Augen zu treten, bereitete mir Höllenangst. Hatte ich bekommen, was er wollte? Wenn ja, dann war es teuer erkauft. Während ich vor dem Spiegel stand, kam ein Polizist und sagte, dass ich mit ihm nach Dunoon fahren musste.
    Von dem Moment an ergoss sich ein weiterer Strom des Elends. Zuerst begegnete ich Mrs Mackellar, die vor der Tür wartete. Mit ihrem wilden weißen Haar chaotischer als je zuvor und ihrem roten

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