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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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die eine neue Nordwestpassage öffnen und Nachschubtransporte von Amerika nach Russland ermöglichen. Oder man könnte gefrierendes Wasser auf die Verteidigungslinien auf dem europäischen Festland spritzen, um sie außer Gefecht zu setzen.«
    Ich muss wohl ziemlich skeptisch gewirkt haben. Wie viel davon stimmte wirklich? Sein technisches Können und die Ergiebigkeit seiner Phantasie wirkten grenzenlos, aber in seiner Begeisterung kam mir Pyke vor wie ein Kind zu Weihnachten. Wieder fiel mir auf, dass sein Enthusiasmus dem Rymans glich - auch wenn Pyke absolut, ja leidenschaftlich entschlossen war, die Wissenschaft für den Krieg zu nutzen.
    Als ich in die Eiswolken sah, erschien mir plötzlich Ryman mit seinem buschigen Haar und dem Gesicht mit dem strengen Mund, das sich auf einmal veränderte - übertriebene Züge bekam, als würden die Wirbel in der Luft es neu zeichnen ... bis es sich schließlich verzerrte wie damals, als es an dem Draht gehangen hatte. Ich schüttelte mich vor Übelkeit und schloss die Augen, damit der Anblick verschwand.
    »Mr Churchill hat selbst gesagt, dass Habbakuks Vorzüge beeindruckend sind«, prahlte Pyke fröhlich. »Wir haben grünes Licht bekommen. Arbeiter auf dem Lake Patricia in Ontario haben schon einen Prototyp von tausend Tonnen gebaut. Das Schiff hat einen flachen, rhombenförmigen Rumpf von zwanzig Meter Länge und zehn Meter Breite. Der Pykerete-Körper ist mit Holzplanken und Pech ummantelt, und eine benzinbefeuerte Kältemaschine treibt Kaltluft durch Eisenrohre im Eis.«
    »Das ist doch wohl ein Scherz?«
    »Ganz im Gegenteil. Das Schiff schwimmt! Brecher und ich haben es uns angesehen. Als Nächstes ist geplant, alles nach Corner Brook in Neufundland zu verlegen und dort ein Schiff in voller Größe bauen. Würden Sie als unser Meteorologe mitarbeiten und die Auswirkungen der Turbulenz auf Pykerete studieren? Sehen Sie sich mal die Zahlen an und denken Sie darüber nach. So, ich muss wieder an die Arbeit!«
    Er drückte mir ein paar Blätter in die Hand und trieb mich Richtung Tür, was in den klobigen Anzügen nicht allzu schnell ging. Ich fuhr mit dem Aufzug nach oben, zog mich im Vorraum um und trat dann wieder mit meinem eigenen Mantel hinaus in das Cockney-Stimmengewirr des Fleischmarkts.
     

14.
    Die nächsten drei Tage verbrachte ich in begeisterter Aufregung. Pykes Pläne waren ebenso problematisch wie faszinierend, aber sie ließen mich den schrecklichen Vorfall in Kilmun vergessen. Ich schrieb Sir Peter einen Brief, in dem ich ihm meine Entscheidung mitteilte. Wie ich dazu gekommen war, erklärte ich nicht allzu genau, aber ich vergaß nicht, ihm für all seine Unterstützung bei meiner bisherigen Karriere zu danken. Endlich hatte ich einen eindeutigen Weg vor mir, dachte ich, als ich den Brief abschickte. Ich hatte das Gefühl, einen Punkt erreicht zu haben, den Meteorologen Okklusion nennen: einen Moment - einen Ort -, wo Warm- und Kaltfront aufeinandertreffen.
    Ich hatte meine Entscheidung gefällt. Ich war mir sicher - wie jung und dumm ich damals doch war -, dass die Selbstverachtung langsam vergehen würde, die ich seit Rymans Tod spürte.
    Als ich Pykes Eis Sir Peters Feuer vorzog, hätte es vielleicht so aussehen können, als ob ich mich in die gefährlichere Richtung bewegte, aber mir kam es damals nicht so vor. Denn auch wenn Pykes Plan, Schiffe aus Eis zu bauen, trotz Mountbattens Unterstützung hochriskant schien, wirkte er für mich sicherer als die Mitarbeit bei der Vorhersagetruppe für die Invasion. Denn alles, was ich in Rymans Nähe erfahren hatte, schien die wilde Unberechenbarkeit des Wetters zu bestätigen. Und ich wollte keine Menschen in den Tod schicken.
    Da meine Wohnung in Richmond nicht zur Verfügung stand - ich hatte sie während meines Aufenthalts in Schottland untervermietet -, nahm ich mir ein Zimmer in einer Pension am Claremont Square, in Gehweite von Smithfield.
    Es war ein schönes Haus, das an Bloomsbury erinnerte, nur leider im hässlichen Pentonville stand, wo ich fieberhaft bis tief in die Nacht hinein schrieb, wie ein Schlot rauchte und bei dem Versuch, die vielen fluiddynamischen Probleme der Habbakuk zu lösen, ein Blatt nach dem anderen mit krakeliger blauer Schrift füllte - wie ich es heute auf diesem Eisschiff mit Kurs in Richtung Wüste tue.
    Die Probleme, die ich für Pyke bearbeiten sollte, hatten mit dem Tiefgang des Schiffs zu tun, lösen konnte ich sie allerdings erst, als ich sie ein zweites Mal bei der

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