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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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keine Dogmatiker wie Krick und Petterssen, und meistens sind sie auch einer Meinung, wofür ich in vieler Hinsicht sehr dankbar bin, aber ...«
    Wieder verlor sich seine Stimme langsam. Mir wurde klar, dass ich einen fast gebrochenen Mann vor mir hatte. »Und einmal pro Woche treffen Sie sich mit allen?«
    Stagg schreckte auf. »Um Gottes willen, nein. Es gibt keine persönlichen Treffen. Nur Douglas und Petterssen arbeiten zusammen in Dunstable. Nein, wir halten Telefonkonferenzen ab - zweimal täglich.«
    Ich war verwirrt. »Warum per Telefon ... und warum so oft?«
    Stagg schmunzelte. »Sie wissen doch, dass Sir Peter nicht genug Meteorologen hat. Nun, diese Leute - einige der besten der Welt - erledigen neben der Vorbereitung der Invasion noch eine Menge anderer Arbeit für ihre jeweiligen Dienstherren, und zwar von verschiedenen Orten aus. Und wir müssen zweimal am Tag miteinander sprechen, und alle auf dem Laufenden halten, was Eisenhowers Pläne angeht. Was wir ihm sagen, wirkt sich auf ein enormes Netzwerk von Truppen und Material aus, die alle auf ihr Startsignal warten, ganz zu schweigen von den unzähligen Schiffen, die sich rund um Großbritannien verstecken, von den Buchten Nord-Devons bis zu den Salzwasserlochs von Argyll... Da oben waren Sie doch, oder?«
    Ich dachte an die Schiffe und U-Boote, die vor Rymans Haus ankerten. Und wieder konnte ich es nicht fassen, dass ich den Tod des einen Menschen auf der Welt verursacht hatte, der den Streit zwischen Staggs Meteorologen vielleicht hätte beilegen können. Plötzlich kam mir der Gedanke, dass Sir Peter mich hierherbefohlen hatte, obwohl - nicht weil - ich ihm so einen offenen Brief geschrieben hatte. Er hoffte immer noch, dass ich von Ryman etwas Wichtiges erfahren hatte. Ich hatte zwar schon mehr oder weniger aufgegeben, aber er suchte immer noch nach der einen alles erklärenden Antwort. So einfach war es leider nicht; doch wie konnte man das vielschichtige Bild, das Ryman mir vermittelt hatte, an Soldaten weitergeben, die relativ einfache Anweisungen brauchten?
    Die Generäle waren meine geringste Sorge. Aber der Gedanke an mögliche Todesopfer erfüllte mich erneut mit Schrecken. Sollte ich nach der Katastrophe in Schottland jetzt auch noch wegen einer falschen Vorhersage verantwortlich für den Tod Tausender Männer sein?
    »Bevor später die Telefone klingeln, weise ich Sie noch in die Karten ein«, sagte Stagg. »Wir haben gut zwei Stunden.«
    »In Ordnung.«
    Er schenkte mir endlich die versprochene Tasse Tee ein, und wir setzten uns an die Karten. Abgebildet waren Europa und der Atlantik, überzogen mit Isobaren und Fronten, sowie die einzelnen Luftdruck- und Temperaturmessungen der Wetterschiffe und anderer Quellen.
    Als wir mit den Karten fertig waren, die komplizierter waren als jede, die ich bisher gesehen hatte, kam Stagg wieder darauf zu sprechen, dass ich Soldat werden musste.
    »Ich würde sagen, ihrem Status im Met Office entspricht der militärische Rang des Flight Lieutenant. Ist das in Ordnung? Sie müssten vor der Konferenz noch Zeit haben, sich eine Uniform zu besorgen. Folgen Sie den Schildern Richtung Web 51. Die müssten Ihnen auch einen Schlafplatz zuteilen können. Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit.«
     

4.
    Nachdem ich mir meine ziemlich kratzige blaue Serge-Uniform abgeholt und mir eine Unterkunft organisiert hatte, kehrte ich in Staggs Büro zurück. Ich setzte mich zu ihm an den großen Eichentisch mit den drei Telefonen. Die verchromten Wählscheiben sahen aus wie Blumen, die darauf warteten, sich zu öffnen. Ich hatte Hunger. Das Mittagessen hatte ich verpasst, und von Abendessen hatte noch keiner gesprochen. Ich sah mir den Tisch an. Neben jedem Telefon stand ein kleiner schwarzer Kasten mit einem Chiffriergerät. Die Gespräche wurden also verschlüsselt.
    Staggs amerikanischer Stellvertreter, Don Yates, gesellte sich zu uns. Er war ein schmaler, kleiner, dunkelhaariger Mann, der uns oft mit phantastischen Geschichten von seinen Wanderungen, Jagd- und Angelausflügen zu Hause in den Staaten erfreute. Er kam aus einer bewaldeten Gebirgsregion in Maine, durch die der Penobscot floss. Seinen Berichten nach war die Gegend noch immer so reich an Rehen und Fischen wie zur Zeit Buffalo Bills. Es hörte sich paradiesisch an: geschützte Buchten und moosige Wälder, in denen Yates gelernt hatte, wie man sich sein Abendessen mit bloßen Händen fing. Ich weiß noch, wie er einmal davon erzählte, dass er die Hand in einen

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