Die gepluenderte Republik
Landgericht Braunschweig zu zwei Jahren Haft auf Bewährung plus 576 000 Euro (360 Tagessätze) Geldstrafe für Untreue und Begünstigung von Betriebsräten wegen Schmiergeldzahlungen an den ehemaligen VW-Betriebsratschef Klaus Volkert verurteilt. Laut Anklage schanzte Hartz seinem Duzfreund Volkert zusätzlich zum Gehalt »üppige Extrahonorare bis zu 290 000 Euro pro Jahr« zu. »Die Schadenssumme für den Konzern: 1 949 600 Euro.«
Darüber hinaus wurde dem »Arbeitnehmervertreter« Volkert auch seine brasilianische Gespielin finanziert. Hartz zeichnete die Rechnungen der Brasilianerin ab, obwohl sie laut Anklage »tatsächlich keine Arbeitsleistung für die Volkswagen AG erbracht« habe. »Einen schriftlichen Vertrag gab es nicht. Dennoch kassierte sie Honorare in Höhe von 398 806,33 Euro.« 165
Einzelfälle? Würden die Mitglieder ihre Führung und Betriebsräte für integer halten, hätten wohl kaum von 2004 bis Anfang 2009 über 600 000 von bis dato 7 Millionen die Gewerkschaft verlassen. Unter dem Deckmantel »gesellschaftlicher Verantwortung« stimmen die Gewerkschafter für Lohnverzicht und Arbeitsplatzabbau, und nicht zuletzt pries bekanntlich der Intimus des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder, DGB-Chef Michael Sommer, Hartz IV als »alternativlos«. O-Ton Schröder im August 2004: »Ich bin froh, dass der DGB gesagt hat, dass er sich an den Demonstrationen nicht beteiligt – das ist eine große Leistung von Herrn Sommer.« 166 Es ist also keineswegs übertrieben, den DGB als Ordnungsfaktor und als Gehilfen bei der Plünderung der Republik zu empfinden.
Die doppelte Rentenlüge
Bevorzugtes Feld der Umverteilung vom Gemeinwesen auf Konzerne ist das Rentensystem. So erpressten im Herbst 2003 die privaten Versicherer fünf Milliarden Euro mit der Drohung, sie würden sonst Pleite machen. Die damalige CDU-Opposition nannte das rot-grüne Rettungspaket »Politik auf Zuruf von Interessenvertretern«. 167
Ein ständiger Geschenkposten zum Wohle der Versicherer ist dagegen die Riester-Rente, die der Staat jährlich mit etwa zwei Milliarden Euro unterstützt. Dieses Geld fehlt natürlich der gesetzlichen Versicherung, und selbst in der SPD-Fraktion wurde erkannt, man müsse wegen dieses Geschenks zwei Milliarden Euro in der Rentenkasse einsparen. Es ist also keineswegs der »demographische Faktor«, der das staatliche Rentensystem ruiniert, sondern neben dem absurden Steuersystem, das die »starken Schultern« schont, die Umverteilung zugunsten der Privaten.
Wer allerdings daraus schließt, die staatlichen Vorsorgeinstitutionen seien die Guten, erlebt eine Überraschung. Ausgerechnet die Deutsche Rentenkasse legte bei Lehman Brothers mindestens 44,5 Millionen Euro an. Wie viel davon verloren ist, werden Politik und Gerichte zu klären haben.
Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass die Sicherung der Menschenwürde auch im Alter zu den Grundsätzen des Sozialstaates gehört. Insofern war Norbert Blüms Versprechen »Die Renten sind sicher« durchaus richtig, auch wenn es nicht eingehalten werden konnte.
Geradezu sprichwörtlich ist die Plünderung der Rentenkassen durch versicherungsfremde Leistungen wie etwa die Kosten für die deutsche Einheit. Nun könnte man sagen, auch dieses Geld käme dem Bürger zugute; schließlich sei die Einigung ja gewollt. Diese Position aber unterliegt dem Irrglauben, das Geldkäme unmittelbar den ostdeutschen Brüdern und Schwestern zugute. In Wahrheit fließt es zumeist an – nicht selten – westdeutsche Konzerne, zum Beispiel für die Restauration von Straßen oder den Bau von Schwimmhallen. Dies aber bedeutet schon rein logisch, dass die Beitragszahler der Rentenversicherung die Profite privater Unternehmen finanzieren und selbst trotz lebenslangen Einzahlens zum Abschluss halbseidener Zusatzversicherungen wie der Riester-Rente gezwungen sind.
Dabei hat die Behauptung, jeder müsse die staatliche durch eine private Altersvorsorge ergänzen, genauso viel mit dem Grundgesetz zu tun wie die Forderung, der Bürger müsse zur Sicherheit seiner Kinder auf dem Schulweg aus Mangel an Polizeipräsenz private Schlägertrupps engagieren. Staaten mit derartiger Praxis nennt man Bananenrepubliken.
Geplanter Lehrermangel
Über 300 000 Pädagogen werden nach Berechnungen des Bildungsforschers Klaus Klemm allein bis 2015 aus Altersgründen ausscheiden. Dem stehen aber nur jährlich 26 000 Berufsanfänger gegenüber. Und die derzeit aktiven Pädagogen, so eine OECD-Untersuchung,
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