Die gepluenderte Republik
Dauer-Skandal fast zur tragikomischen Klamotte mutieren.
Der Hintergrund: Um dem Mutterkonzern Deutsche Bahn einen Gewinn melden zu können, hatte man Werkstätten geschlossen, fahrfähige Züge verschrottet sowie Mitarbeiter versetzt oder nach Hause geschickt. Und wie das Gescherr, so der Herr: »Pünktlich wie die Bundesbahn« war gestern; heute ist Profitwahn – bei der Deutschen Bahn selbst sind bekanntlich Klagen über Unpünktlichkeit, ständige Preiserhöhungen, unübersichtliche Tarife, miserablen Service seit Jahren ein Dauerbrenner. »Der ›schlanke Staat‹ wird magersüchtig«, schreibt Sebastian Christ im
Stern
. »Wenn sich ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn kaputtspart, betrifft das nicht nur einzelne Menschen, sondern einen großen Teil der Bevölkerung.« 179
Auch in der Energiebranche paaren sich miserabler Service mit »Preiswucher«: Im November 2006 verursacht E.on einen Stromausfall in weiten Teilen Europas. Das Unternehmen muss die Schuld einräumen, allerdings sei es »menschliches Versagen« gewesen. 180
Im Juli 2009 verhängt die EU-Kommission gegen den Energiekonzern E.on eine Kartellstrafe von 553 Millionen Euro, weil er sich mit dem französischen Gasmonopolisten GDF Suez über die Aufteilung der Märkte, also de facto über die Gaspreise abgesprochen haben soll. Die Gesamtstrafe ist mit 1,1 Milliarden Euro eine der höchsten jemals verhängten Geldbußen.
»Ausplünderung« nennt der Bund der Energieverbraucher das Verhalten der Konzerne E.on und RWE. Auch in Deutschland gebe es keinen Wettbewerb. Der sei lediglich »Fassade« und fördere einzig die Machtposition der beiden Strom- und Gasriesen. Während die nämlich im Vergleich mit anderen Branchen deutlich höhere Gewinne einheimsten, würden die Verbraucher in Deutschland jährlich Milliarden Euro zu viel für Strom und Gas bezahlen. 181
Ein Kapitel für sich ist die Solarbranche. Rund 35 Milliarden in den kommenden 20 Jahren kosten allein die bislang vorhandenenAnlagen die Verbraucher, und alle Pläne zur Kürzung der Subventionen wurden bislang abgeblockt – auch mithilfe einer mächtigen Lobby, in vorderster Front der Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber (SPD), der nicht nur neben der baden-württembergischen Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) Ende 2008 den »Deutschen Solarindustriepreis« des
Bundesverbands Solarwirtschaft
(BSW) erhielt, sondern von zwei Solarkonzernen auch noch insgesamt 90 000 Euro für den vergangenen Wahlkampf. 182 Übrigens sagte ebendieser MdB Kelber auf die Frage, warum Deutschland die UN-Konvention gegen Korruption noch immer nicht ratifiziert habe, »dass die meisten Forderungen der UN- und der Europaratskonvention in Deutschland längst geltendes Recht sind, Korruptionsbekämpfung also auch ohne diese Ratifizierungen einen hohen Stellenwert hat« 183 .
Zu Zeiten der staatlichen Deutschen Bundespost kam man mit der Ausrede »Ich habe den Brief nicht bekommen« kaum durch. Seit Gründung der privaten Deutschen Post AG im Jahre 1995 aber wird kaum ein Freund, Geschäftspartner oder Gericht diese Möglichkeit für absurd erklären. Botendienste haben Hochkonjunktur, und nicht selten werden zum Beispiel Mahnungen gleich in fünffacher Ausfertigung verschickt – damit wenigstens ein Brief ankommt. Denn auch bei der Post hält man Profitgier um jeden Preis für einen »Sachzwang«, und folglich wird auch beim Briefversand »an allen Ecken gespart, auch beim Personal«. 184
Das Zauberwort heißt »Outsourcing«, also die Ausgliederung weiter Teile der Zustellung, fast 1000 Bezirke allein beim Paketdienst. Und auch die Briefkästen werden inzwischen großenteils von billigsten Subunternehmen geleert, vom Pizzaservice, von osteuropäischen Firmen. Von welchen Menschen genau, lässt sich kaum feststellen: Das Personal wählt der Subunternehmer aus, dem die Post natürlich nur Niedrigpreise zahlt. Da man aber erfahrungsgemäß für wenig Geld meist mindere Qualitäterhält, war das Ergebnis vorprogrammiert: Tagtäglich verschwinden Tausende von Briefen und Päckchen. Aber die Post-Oberen sehen das ganz entspannt. Sind ja nicht ihre Briefe und Wertsachen, die da verschwinden: »Gegen organisierte Kriminalität sind auch wir nicht gefeit«, sagt so etwa Post-Sprecher Dirk Klasen.
Dass man das Nachtflugnetz eingestellt hat und die Post mit LKWs zum Beispiel von München nach Hamburg kutschiert, montags weniger Briefträger einsetzt und samstags gar keine Post mehr austragen wollte, rundet das Bild
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