Die gepluenderte Republik
sondern wurden gestürzt. Als besonders zäh erweist sich bislang der Kapitalismus: Er überstand die Oktoberrevolution, den Faschismus und die 68er.
Wie also kommen klar denkende Menschen zu der Befürchtung oder Hoffnung, ausgerechnet der Kapitalismus könne automatisch zusammenbrechen?
Häufig wird allgemeiner Kulturpessimismus oder -optimismus mit seriöser Wirtschaftstheorie verwechselt, was angesichts der vorübergehenden Hegemonie des neoliberalen Unfugs inklusive der pseudoexakten Grenznutzentheorie (»Ich liebe Maria 2,83 mal mehr als Lisbeth«) kein Wunder ist.
Ein zentrales Missverständnis liegt im Wesen der Krise. Sie nämlich zeigt – trotz aller unangenehmen Begleitumstände – nicht nur die Schwäche, sondern in erster Linie die Stärke der Marktwirtschaft. Die Krise ist eine Art reinigendes Gewitter, um den Widerspruch zwischen immenser Aufhäufung von Kapital einerseits und fehlender
zahlungskräftiger
Nachfrage andererseits wieder ins Lot zu bringen.
Nun ist die Frage, ob dieser Krisenzyklus endlos so weitergehenkann, und da hat gerade das vorige Jahrhundert gezeigt: Prinzipiell kann er das sehr wohl, und wenn dazu Weltkriege nötig sein sollten. Dann wird – abgesehen von den Millionen Kriegsopfern – unglaublich viel zerstört; und das bedeutet für den Marktwirtschaftler, es gibt eine neue Nachfrage, und wir beginnen wieder von vorn. Allerdings: Die bürgerliche Gesellschaft überwindet Krisen stets nur »dadurch, dass sie all seitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.« 253 Also bricht die Marktwirtschaft dann irgendwann zusammen?
Ein großes Missverständnis in diesem Zusammenhang birgt das Marxsche Gesetz vom
tendenziellen Fall der Profitrate
. Salopp ausgedrückt: Weil die Produktivität der Arbeit ständig steigt, sind heute zur Produktion zum Beispiel bestimmter Autoteile nur noch zwei Leute nötig, wo man früher 20 Leute brauchte. Die Krux an der Geschichte: Da menschliche Arbeit nun mal die einzige Quelle von Wert und damit auch von Profit ist, benötigt man immer mehr Kapital in Form von Rohstoffen oder Maschinen, um an die unbezahlte Mehrarbeit des einzelnen Arbeitnehmers heranzukommen. Das Problem dabei: Dies setzt sich nicht in jedem Einzelfall, sondern gesamtgesellschaftlich durch, und so entsteht der Eindruck, jeder Geldverdiener würde auch Werte schaffen, was bei genauem Hinsehen natürlich blanker Unsinn ist. Ein angestellter Geldeintreiber schafft ebenso wenig
Gebrauchswerte
wie ein Bankster – wohingegen eine Prostituierte ebenso eine Dienstleistung erbringt wie ein Friseur oder Taxifahrer und damit sehr wohl Werte schafft.
Weil dies so ist, erscheint zunächst als einziger Ausweg aus dieser Profitfalle das Allheilmittel
Wachstum:
»Die einfachste Methode, die prinzipiell einen Ausgleich für den verringerten Arbeitseinsatz pro Produkteinheit erlaubt, liegt auf der Hand. Wenn heute 5 Arbeiter genauso viele Autos, Hosen oder Tomaten herstellen wie früher 10, dann muss sich eben die Mengeder hergestellten Autos, Hosen oder Tomaten verdoppeln, um die vernutzte Arbeitsmasse konstant zu halten, und verdreifachen, um sie um 50 Prozent zu steigern.« 254
Man beachte: Es wird nicht deshalb mehr produziert, weil die Menschen plötzlich viel mehr Autos, Hosen oder Tomaten benötigen, sondern damit die Kasse stimmt. Und daher ist die Werbung so wichtig, um den Menschen diese Produkte aufzuschwatzen. Andererseits haben die Menschen, selbst wenn sie auf die Werbung hereinfallen, nicht genug Geld zum unbegrenzten Konsum. Womit die nächste Krise vorprogrammiert ist. Das Ganze ist ein perfekter marktwirtschaftlicher Teufelskreis, dessen Ende nicht absehbar ist.
TEIL IX
Was lange gärt …
Als im April 2009 die damalige Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan vor sozialen Unruhen als Folge der Finanzkrise warnte, wurde ihr prompt und aufgeregt von Angela Merkel widersprochen. Schwan hatte unter anderem geäußert: »Wir müssen verhindern, dass die von vielen empfundene Enttäuschung zu einer explosiven Stimmung führen könnte.« Sie rechne zwar nicht mit brennenden Barrikaden, »wir haben aber in der gegenwärtigen Krise die Verantwortung, weder zu dramatisieren oder gar Ängste zu schüren noch die Realität auszublenden«. Immer mehr Menschen seien über zunehmende Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft verärgert. 255
Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich,
dann bekämpfen sie dich, und dann
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