Die gepluenderte Republik
gewinnst du.
Mahatma Gandhi
Nun hilft es natürlich nicht, den Menschen ihren finanziellen und oft auch sozialen Abstieg bei gleichzeitiger Einkommensexplosion der Superreichen schönzureden, und auch eine regierungsamtliche Warnung vor »Panikmache« bringt weder mehr Arbeitsplätze noch den Bürgern mehr Geld in die Tasche.
Der Soziologe Oskar Negt jedenfalls prophezeit bei einer weiteren Plünderung des Sozialstaats das Auseinanderfallen der Gesellschaft.
Und bereits im Jahr 2005 hat der inzwischen verstorbene ehemalige SPD-Generalsekretär Peter Glotz ähnliche Befürchtungengeäußert: »Tatsache ist: Die deutsche Disziplin und Ruhe könnten trügerisch sein.« Eine neue RAF sei zwar nicht in Sicht. »Aber wenn irgendwo 200 empörte Arbeiter, die entlassen werden sollen, obwohl der Konzern insgesamt schwarze Zahlen schreibt, alles kurz und klein schlagen, kann ein einziger Gewaltausbruch dieser Art einen Flächenbrand auslösen, wie einst der unpolitische Mordversuch an Rudi Dutschke zu Ostern 1968.« Andererseits sei der Staat gegen die eigene Bevölkerung gut gerüstet, denn er habe »eine funktionierende Staatsmaschine und eine gute Polizei. Aber wird das reichen?« 256
Glotz sah schon damals, dass die derzeitige Politik der Vergrößerung der Arm-Reich-Schere irgendwann zum großen Knall führen wird. Und in gewisser Weise ehrt es ihn sogar, dass er den vielen stümperhaften Wirtschaftsrezepten nicht ein weiteres hinzufügt, sondern gleich den Plan B zum demokratischen Sozialstaat Deutschland präsentiert.
An dieser Stelle allerdings wenden neoliberale Profis zu Recht ein: »Die Verteidigung ihrer … Besitzstände gegen die um sich greifende Wohlstandsminderung und den Zugriff durch schlechter ausgestattete Gesellschaftsmitglieder wird für die privilegierten Agenten zunehmend teuer, bis die Kosten der Aufrechterhaltung des politischen und gesellschaftlichen Status quo endlich prohibitiv hoch sind und es zum allgemeinen Einbruch oder Umsturz kommt.« 257 Im Klartext: Polizeistaat rechnet sich nicht nur nicht, sondern wird irgendwann auch unbezahlbar.
Dies mag mancher Politiker aufgrund fehlender Ökonomiekenntnisse theoretisch nicht nachvollziehen können. Aber dass eine hochgerüstete Diktatur auf deutschem Boden kürzlich unter anderem an den Kosten für die innere Sicherheit zugrunde gegangen ist, sollte ihm doch zu denken geben.
Das Dauerdilettieren überforderter und unausgebildeter Stümper in höchsten politischen Ämtern kann jedenfalls nicht durch »eine gute Polizei« ausgebügelt werden.
Ähnlich wie Schwan und Glotz äußert sich auch Stefan Kornelius von der
Süddeutschen Zeitung
: »Erstaunlich nur, dass der Zusammenhang zwischen der ökonomischen Krise und der physischen Sicherheit, der Unversehrtheit der Bürger von Riga bis Shanghai, von São Paulo bis Sacramento, nur selten hergestellt wird. Die Krise ist bisher nur ein Problem für den Geldbeutel, den Arbeitsplatz, das Immobiliendarlehen. Sie ist noch keine globale Sicherheitskrise. Aber das könnte sie bald werden. Wenn die Menschen an der Sicherheit garantierenden Autorität ihres Staates zweifeln, dann wächst Instabilität und droht Gefahr.« 258
Jede Gesellschaft bekommt die Revolution,
die sie verdient.
Michail Bakunin
Hinzu kommt der Aspekt der Globalisierung: »Ein Regierungschef allein kann den Menschen in seinem Staat nicht mehr die gleiche Sicherheit garantieren wie noch vor 20 Jahren. Jetzt muss er kooperieren. Noch ist die Autorität der Staaten und Regierungen groß genug, um die schwierigen Prozesse zu lenken. Wenn aber erst einmal die schrillen Töne der Protektionisten überall offene Ohren finden und die Feindbilder Leuchtkraft gewinnen, dann ist das Finanzproblem wirklich ein Sicherheitsproblem geworden.« Kornelius’ pessimistische Vorhersage: »Die Finanzkrise ist das größte Sicherheitsproblem dieser Zeit. Wenn die Regierungen versagen, gemeinsam Lösungen zu finden, drohen ein Zerfall der EU und weltweite Kriege.« 259
Die Studenten der 68er hatten dafür ein griffiges Wort: »Was lange gärt, wird endlich Wut.«
TEIL X
Was hat der Papst damit zu tun?
Leben wir, um zu arbeiten, oder arbeiten wir, um zu leben? Das Erste werden in fataler Argumentationsnähe die Vertreter des BDI aus naheliegenden Gründen ebenso behaupten wie die Propagandisten der protestantischen Arbeitsethik, wonach die Menschen infolge der Erbsünde durch Adam und Eva nichts Besseres verdient haben. Sie passt zum Kapitalismus
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