Die geraubte Braut
Jamie stolz heraus. »Es ist wieder da, aber Mr. George weiß nicht, warum. Halbtot war sie, als wir sie im Schnee fanden und …«
Weiter kam er nicht. Rufus stürzte an ihm vorüber aus dem Haus und rannte die Straße entlang. Er lief weiter, die Anhöhe hinauf, ohne den Schritt zu verlangsamen, stürzte in die Hütte und warf die Tür hinter sich zu.
»Allmächtiger!« Mit zwei Schritten war er bei dem dreibeinigen Schemel, auf dem Portia neben der Glutpfanne halb kauerte, halb lag. Ihre Lippen waren blau, die Tränen auf ihren totenbleichen Wangen noch sichtbar. An ihren Wimpern klebte noch Schnee, und die Haare über ihrer Stirn waren mit Eis verkrustet.
»Was hast du getan?« flüsterte er. »Was hast du dir angetan?« Er fiel auf die Knie und strich ihr die eisigen Haare aus der Stirn. Er rieb ihre Wangen, von verzweifelter Sehnsucht erfüllt, Leben und Erkennen in ihren Augen zu sehen. Sie starrte durch ihn hindurch, als wäre er ihr unbekannt.
Er hatte sich so sehr bemüht, ohne sie auszukommen. Hatte versucht, sich keine Sorgen zu machen. Er hatte sich eingeredet, dass eine kurze und lustvolle Begegnung alles war, was ihnen an Erwartungen zustand. Sie war eine Granville und konnte nie etwas anderes sein. Sie hatte die Granvilles sogar verteidigt, als er ihr seinen großen Schmerz offenbarte. Sie hätte den verzweifelten Zorn begreifen müssen, der ihn dazu trieb, zu sagen, was er gesagt hatte, doch sie hatte ihn abgelehnt. Sie war nicht imstande gewesen, ihre Loyalität den Granvilles gegenüber zu vergessen.
Er hatte seinen Zorn mit heißer Flamme genährt, doch als er nun mit seinem eigenen Atem Wärme in Portias Gesicht und Augen zu hauchen versuchte, war sein Zorn verraucht.
Sie war zurückgekommen. Aber warum?
In ihrem momentanen Zustand würde er keine Antwort auf diese Frage bekommen. Sein Gefühlsaufruhr wich praktischer Fürsorge, als er sich bückte, sie auf die Beine stellte und sie fester in ihren Mantel hüllte. »Ich schaffe sie hinunter.«
Die Worte durchdrangen Portias Benommenheit. »Juno!« stieß sie unter Zähneklappern hervor.
»Ach, das muss der Hund sein, Sir.« George bückte sich nach dem Tier. »Sie hat ihn wie einen Rettungsanker umklammert.«
Rufus, der die schwankende Portia an sich drückte, begutachtete den unansehnlichen Köter erstaunt. Juno wedelte hoffnungsvoll mit dem Schwänzchen und hechelte mit hängender Zunge.
»Sie hat mir das Leben gerettet«, brachte Portia völlig verständlich über die Lippen, wenn auch mit einer Stimme, die so dünn war, dass sie ihr selbst fremd in den Ohren klang. »Sie muss bei mir bleiben.«
Rufus konnte ihren Worten keinen Sinn entnehmen, war jedoch so erleichtert, sie sprechen zu hören, dass es ihn nicht kümmerte. Er hob sie hoch, um sie sich über die Schultern zu legen und mit einer Hand um ihre Mitte festzuhalten. Dann nahm er George das Hündchen ab, steckte es unter seinen freien Arm und machte sich festen Schrittes auf den Weg bergab.
Portia nahm diese unwürdige Art der Beförderung gar nicht wahr. Sie wusste nur, dass sie in Sicherheit war, dass die kalten Schauer in ihrem Inneren bald aufhören würden und sie sich ausruhen konnte. Darüber hinaus war sie zu keinem Gedanken fähig.
Rufus stieß die Tür seines Hauses auf und trug seine zwei Lasten hinein. Den Hund ließ er auf den Boden fallen, Portia ließ er sanft von seiner Schulter gleiten und setzte sie auf einen Schemel am Feuer. Sie sah noch immer aus wie halbtot; sogar ihr leuchtendes Haar wirkte stumpf.
Da kam ihm der unglaubliche Gedanke, dass sie den ganzen langen Weg von Castle Granville her gelaufen sein musste. Und nun fühlte er sich wie damals, als Toby einem Ball nachgejagt war und voll bekleidet unterhalb des Mühlrades knapp über dem Mühlgerinne in den Fluss gefallen war. Sobald das Kind in Sicherheit war, hatte Rufus' Entsetzen sich in einem Wutanfall Luft verschafft, den weder er noch Toby vergessen konnten.
Portia wurde so heftig von Schüttelfrost erfasst, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. »Mein Knöchel«, klagte sie und befühlte ihren Fuß. »Er schmerzt schrecklich.«
Rufus, der niederkniete, um ihr den Stiefel auszuziehen, fluchte leise, als er merkte, dass ihr stark geschwollener Knöchel es nicht zuließ. »Was hast du dir dabei gedacht?« Er zog sein Messer aus dem Gürtel und schnitt vorsichtig in den Stiefelschaft. »Ich weiß nicht, was in dich gefahren ist. Du musst den Verstand verloren haben.«
»ja, ich bin
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