Die geraubte Braut
bleiben. Ich bin noch immer der Meinung, dass es falsch ist, wenn du dich von deinen Rachegefühlen leiten lässt. Ich aber bin frei davon, Rufus.« Sie hatte sich halb erhoben, als ihr Knöchel sie wieder zum Hinsetzen zwang. Unwillig stöhnend musterte sie ihn.
Rufus strich über sein Kinn und starrte mit zusammengekniffenen Augen ins Feuer. Dann sah er sie wieder an. »Wenn du also glaubst, dass ich nicht richtig handle, dann sage mir, warum du unter Einsatz deines Lebens das einzige Zuhause aufgegeben hast, das du besitzt, nur um mir zu helfen. Man möchte meinen, es wäre dir nichts lieber, als mich hängen zu sehen.«
»Man möchte es meinen«, erwiderte sie zustimmend. »Glaube mir, ich kämpfte gegen den Impuls an. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund unterlag ich.«
Rufus grinste. Freudige Erregung ließ sein Herz höher schlagen … und grenzenlose Erleichterung, weil sie einigermaßen unversehrt geblieben war. »Du frecher Spatz! Deine scharfe Zunge lässt sich durch nichts abstumpfen. Also, sag schon, was es mit dieser Falle auf sich hat!«
»Ich belauschte Cato und Leutnant Giles Crampton, als ich mich nachts in der Burg herumtrieb.« Portia lieferte diese halbe Erklärung mit einem Achselzucken. Von alten Abtrittschächten und ihrer nie versiegenden Neugier brauchte er nichts zu wissen. Sie berichtete, was sie gehört hatte, und er lauschte schweigend und nippte mit ausdrucksloser Miene seinen Whisky.
»Ich weiß längst, dass Cato und seine Getreuen das Land rücksichtslos ausplündern«, bemerkte er, als sie geendet hatte. »Inzwischen muss er einen ansehnlichen Schatz zusammengerafft haben.« Rufus lächelte grimmig. »Einen Schatz, der jenen des Königs hübsch aufwerten wird.«
Nun änderte sich sein Ausdruck. Er stand auf und hob ihr Kinn an. Seine Augen waren ernst, als er sie musterte. »Ich bin sehr froh, dass du zurückgekommen bist, und ich weiß nicht, was ich dir bieten kann. Da du aber so kühn warst, Catos Herd zu verlassen, muss ich dir meinen anbieten.« Er fuhr mit dem Daumenrand über ihren Mund.
»Auf deine Wohltaten kann ich gut verzichten«, schnappte Portia mit einer unwilligen Drehung des Kopfes. Sie war nicht ganz sicher, was er gemeint hatte. Seiner Einladung, falls es eine war, fehlte etwas. Wenn er ihr nur ein Heim anbot, weil sie! nirgendwohin gehen konnte, sozusagen als Belohnung für ihre Information, dann würde sie es nicht annehmen. »Ich kam ohne diese Erwartung.«
Rufus ließ seine Hand fallen. Er starrte sie an. »Wohltaten!« echote er empört.
»Ich komme allein zurecht«, beharrte Portia. »Das war immer schon so.«
»Du lieber Gott wenn du nicht in so jämmerlicher Verfassung wärest …« Er drehte sich abrupt um und tigerte einmal aufgebracht durch den Raum. Dann baute er sich gefährlich vor sie auf. »Möchtest du bleiben?«
»Nicht, wenn du in mir immer nur eine Granville siehst«, sagte Portia. Plötzlich stand so viel auf dem Spiel. Mehr als sie momentan erfassen konnte.
»Du bist eine«, sagte er tonlos. »Ich wüsste nicht, wie ich es vergessen könnte.«
»Aber ist es denn wichtig?«
Rufus seufzte. »Portia, du hast mir gefehlt. Keine Granville, sondern du.«
Portia, die spürte, wie ihr warm ums Herz wurde, lächelte zaghaft. »Dann ist es gut«, entschied sie.
Rufus hatte das höchst sonderbare Gefühl, dass er eben eine Schlappe erlitten hatte, obwohl er gar nicht gemerkt hatte, dass er in einen Kampf verwickelt war.
Leise sagte Portia: »Auch du hast mir gefehlt. Ständig hielt ich in allen dunklen Hofwinkeln Ausschau nach einem buckligen Alten.«
Rufus strich sanft über ihr Gesicht. Sein Unbehagen schwand. Wieder war er sich ihrer Blässe. bewußt, ihrer Schwäche und seines Verlangens, sich ihrer anzunehmen. »Ich hole dir aus der Kantine etwas zur Stärkung. Es dauert nicht lange.«
»Bring auch für Juno etwas mit.«
Allein gelassen kauerte Portia sich schläfrig ans Feuer. Der Schmerz in ihrem Knöchel war durch den Whisky gedämpft. Zum ersten Mal im Leben hatte sie das Gefühl, heimgekehrt zu sein.
Binnen zehn Minuten war Rufus wieder da, schüttelte Schnee von seinem Mantel und trat seine Stiefel stampfend im Eingang ab. Ein junge folgte ihm mit einem vollbeladenen Tablett. Er warf Portia einen neugierigen Blick zu, als er das Tablett auf den Tisch stellte, und machte Anstalten zu bleiben.
»Danke, Adam«, sagte Rufus mit Betonung und stellte einen Deckelkrug auf die Feuerstelle.
»Sehr wohl, Sir.« Nach einem
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