Die geraubte Braut
knapp. »Wie lange willst du bleiben?«
Brian wurde augenblicklich aus dem Konzept gebracht. »Wenn mein Besuch nicht willkommen ist, würdet Ihr es mir sicher sagen, Mylord.«
»Als Anhänger des Königs ist deine Anwesenheit hier unpassend«, sagte Cato nachdenklich. »Als Familienmitglied steht es dir natürlich frei zu bleiben, solange es dir beliebt.«
»Mein Besuch ist rein gesellschaftlicher Natur, da ich Lady Diana meine längst fällige Aufwartung machen möchte. Ich bedaure zutiefst, dass ich Eurer Vermählung nicht beiwohnen konnte.«
Cato nahm einen Schluck und nickte ausdruckslos. Damals hatte sein Stiefsohn in Paris wegen seiner Spielschulden eine Kerkerstrafe abgebüßt. Vielleicht ahnte er nicht, dass Cato es wusste.
»Eben stieß ich mit Olivia zusammen«, fuhr Brian fort. »Sie ist eine junge Frau geworden. Von dem kleinen Mädchen, das ich von meinem letzten Besuch her in Erinnerung habe, ist nichts mehr zu sehen.«
»Nein«, gab Cato ihm ernst recht. »Wohl kaum.« Er griff nach dem Glockenzug. »Nach deiner Reise hast du sicher Ruhe und Erquickung nötig … Ach ja, Bailey, bringe Mr. Morse in ein Gästegemach, und teile ihm Bedienung zu.«
Der Diener verbeugte sich und trat beiseite, um Brian den Vortritt an der Tür zu lassen.
»Ich bringe dich zu Lady Granville, sobald du dich erfrischt hast«, sagte Cato noch.
Nachdem sich die Tür hinter seinem ungebetenen Gast geschlossen hatte, warf Cato sich in seinen Stuhl aus geschnitztem Eichenholz, schlug die Beine übereinander und spielte mit der Schreibfeder. Was wollte Brian hier? Spionierte er für Prince Rupert? Wollte er Größe und Schlagkraft seiner Streitmacht abschätzen? Aber das waren keine Geheimnisse. Sollten die Royalisten ruhig wissen, was jeder in der Gegend in Erfahrung bringen konnte.
Keinesfalls aber durften sie von dem Schatz erfahren, der in den Gewölben von Castle Granville lagerte. Niemand durfte wissen, welches Vermögen Cato für die Parlamentspartei zusammengerafft hatte. War der Zeitpunkt gekommen, die Kostbarkeiten fortzuschaffen, durfte Brian Morse nicht mehr unter seinem Dach weilen.
Ein winziges Lächeln umspielte Catos Mund, als er nach seinem Becher griff. Es war kein angenehmes Lächeln. Der Schatz konnte ihm dazu dienen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Rufus Decatur würde alles unternehmen, um die Erträge der Güter seiner Familie für die Sache des Königs an sich zu bringen. ja, was würde er nicht alles tun für einen Schatz, wie Cato ihn in seinen Gewölben hortete? Er war ein süßer Köder für die Falle, die Rufus Decatur direkt an den Galgen auf der Festungsmauer von Castle Granville bringen würde. War Jacks Tochter ein unschuldiges Pfand in Decaturs Spiel, würde die Gefangennahme ihres Entführers ihr die Freiheit bringen.
Kapitel 12
»Heute schaffen wir es aber nicht bis Newcastle«, bemerkte Will mit einem Blick zum schmutziggrauen Himmel.
»Nein, ihr werdet unterwegs biwakieren müssen.« Rufus warf einen Blick auf die Reihe der Pferde hinter sich. Die Tiere waren frischer als die Reiter, die nach der durchzechten Nacht dösend im Sattel hingen und sich mühsam an den Zügeln festhielten.
Portia ritt mit schweren Lidern und verhangenem Blick neben ihm. Ihr Schweigen schrieb er ihrer Rücksicht auf Will zu, da der junge Mann vor Verlegenheit nicht gewusst hatte, wohin er seinen Blick wenden sollte, als Rufus und seine Bettgefährtin in der grauen Morgendämmerung aufgetaucht waren. Da Will von einer der jungen Frauen Fannys getröstet worden war, fand Rufus seine Prüderie ein wenig übertrieben, andererseits aber war Will noch nie jemandem wie Portia Worth begegnet.
Portias Schweigen hatte indessen nichts mit Will zu tun, sondern mit der Frage, die sie in der Glut nächtlicher Leidenschaft hatte verdrängen können und die sich ihr nun im frostigen Morgenlicht hart und klar stellte: Was sollte nun aus ihr werden? Eine glückliche Gefangene etwa? Eine, die sich willig ins Bett ihres Entführers fügte? Sie empfand weder Freude noch Resignation. Ständig wanderte ihr Blick verstohlen zu Rufus, dessen Miene nichts verriet. Seit dem Erwachen hatte es wenig Gelegenheit für Vertraulichkeiten gegeben. Rufus hatte Mühe gehabt, aus seinem betrunkenen und zügellosen Haufen wieder einen Militärtrupp zu formieren. Sehr sanft war er dabei nicht vorgegangen, doch schien dem aufgebrachten Kommandanten niemand seine wüsten Flüche und Drohungen zu verargen.
Colonel Neath rückte
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