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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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Ja, ganz recht.« Am anderen Ende hörte er seine eigene Stimme auf dem Anrufbeantworter. Er redete weiter. »Ich soll mir also das Programm ansehen. Okay …« Will legte eine Hand auf die Sprechmuschel und flüsterte Carrie-Anne zu: »Sie sagt, ich soll in die Pressemappe schauen.«
    Ohne zu zögern, schob sie ihm eine herüber.
    »Okay, ich schau mal hinein und sehe, was mich interessiert … okay. Sie haben mir schon sehr geholfen. Vielen Dank.«
    Während er sich noch mit seinem eigenen Anrufbeantworter unterhielt, überflog er das Verzeichnis der Einzelveranstaltungen.
    In der Holden Suite: Das Zusammensein wieder zusammenfügen – Elternschaft nach der Scheidung mit Rev. Peter Thompson.
    Im MacMillan Room: Was würde Jesus tun? Rat suchen beim Erlöser.
    Aber was er suchte, fand er nicht. Er blickte auf; Carrie-Anne überreichte gerade lächelnd Pressekarten an eine Fernsehreporterin und ihren Kameramann. Unauffällig wandte Will sich ab und nahm Kurs auf die Konferenzräume. Als Akkreditierungsersatz hielt er seine Pressemappe hoch.
    Er studierte weiter das Programm. Mittagspause, Kindergarten, Workshops. Dann blieb sein Blick an einem Punkt hängen.
    In der Kapelle: Eintritt ins Messianische Zeitalter. Redner angefragt. GESCHLOSSENE VERANSTALTUNG.
    Will sah auf die Uhr: Die Veranstaltung hatte schon begonnen. Aber wo in diesem riesigen Komplex von Suiten, Korridoren und Treppenhäusern war »die Kapelle«? Er blätterte seine Pressemappe durch, bis er einen Plan des Gebäudes gefunden hatte. Dritter Stock.
    Hier gab es viele Türen, aber schließlich entdeckte er eine mit einem Piktogramm: ein kniender Mann im Gebet. Will hielt das Ohr an die Tür.
    »… wie viele Jahrhunderte haben wir gewartet? Über zwanzig. Und manchmal wurde unsere Geduld auf eine harte Probe gestellt. Unser Glaube geriet ins Wanken.«
    Will hörte die Glocke eines Aufzugs. Drei Männer traten heraus, etwa in Wills Alter, in gepflegten schwarzen Anzügen wie dem, den er nach seinem nächtlichen Ausflug nach Crown Heights noch immer anhatte. Jeder hielt eine Bibel in der Hand, und sie kamen zielstrebig auf ihn zu.
    Als sie näher kamen, sah Will, dass mindestens einer von ihnen außer Atem war. Sie kamen zu spät zu diesem Meeting. Das war seine Chance.
    »Keine Sorge«, sagte er, als sie bei ihm angekommen waren. »Ich glaube, wir können uns immer noch hinten hineinschleichen.«
    Einer der drei öffnete die Tür, und sie konnten alle vier eintreten; in der Gruppe war die Peinlichkeit des Zuspätkommens gemildert. Und Will gehörte einfach dazu; er hatte sogar seine eigene Bibel.
    Sie drängten sich an die hintere Wand, und Will ließ den Blick durch den Raum wandern. Zu seiner Überraschung war er ziemlich groß – etwa so groß wie ein Bankettsaal. Mehr als zweitausend Leute mussten hier versammelt sein. Wer sie waren, war schwer zu sagen; alle Köpfe waren wie zum Gebet gesenkt. Will wagte nicht, den Hals zu recken.
    Endlich unterbrach eine Lautsprecherstimme die Stille.
    »Wir bereuen, o Herr, die Augenblicke unseres Zweifels. Wir bereuen das Leid und den Schmerz, den wir einander zugefügt haben, hier auf diesem Planeten, den unser Vater uns in deinem Namen anvertraut hat. Wir bereuen, o Herr, die Jahrhunderte der Sünde, die dich von uns fern gehalten haben.«
    Einstimmig antwortete die Gemeinde: »An diesem Tag der Buße bereuen wir.«
    Will hob den Kopf und versuchte zu erkennen, wer da sprach. Ganz vorn stand ein Mann, aber er hatte der Versammlung den Rücken zugewandt. Man konnte nicht einmal erkennen, ob er jung oder alt war: Er trug eine weiße Schädelkappe, die sein Haar fast ganz verdeckte.
    »Doch jetzt, o Herr, ist der Tag der Abrechnung gekommen. Endlich wird der Mensch zur Rechenschaft gezogen werden. Das große Buch des Lebens wird zugeschlagen, und wir werden endlich gerichtet werden.«
    »Amen«, ertönte es einstimmig.
    Der Mann drehte sich um: Er war ungefähr so alt wie Will und sah gebildet aus. Will war überrascht. Er wirkte zu jung für einen Religionsführer, und seine Stimme war zu kräftig für ihn.
    »Dein erstes Volk, Israel, ist abgewichen vom Pfad deiner Lehre, o Herr.« Die Stimme sprach weiter, ohne dass der Mann, den Will für den Redner gehalten hatte, etwas sagte. Erst jetzt bemerkte Will die große Leinwand an der Stirnseite des Saales. Nur zwei Worte standen darauf, schwarz auf weiß: Der Apostel. Jetzt begriff er, dass die Stimme, die den Saal erfüllte, keinem der Anwesenden gehörte.

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