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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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gefunden; bei der Obduktion fanden sich große Mengen eines Beruhigungsmittels in seinem Blut. Man geht davon aus, dass die Polizei gegen keine weiteren Personen im Zusammenhang mit Gavin Curtis’’ Tod ermittelt …
    Will schaute aus dem Fenster; er konnte sich vorstellen, was für ein Presserummel jetzt in London herrschte. Er war dort aufgewachsen; er wusste, wie die britische Presse sich aufführte, wenn sie Blut geleckt hatte. Seit Tagen hatten sie den Mann gehetzt, und jetzt hatten sie seinen Skalp. Will konnte sich nicht erinnern, wann es das letzte Mal vorgekommen war, dass ein Politiker sich umgebracht hatte. Meistens kam es nur zum Rücktritt, und selbst das war nur noch selten der Fall. Dieser Curtís musste eine Menge Dreck am Stecken gehabt haben.
    Und dann erschien noch eine Message auf dem Blackberry. Als Absender las er wieder nur die Hieroglyphen, die nichts weiter preisgaben. Betreff: »Beth«.
    Will öffnete die Mail.
    WIR WOLLEN KEIN GELD.

13
    FREITAG, 14.15 UHR, BROOKLYN
    »Das muss ein Bluff sein.«
    »Dad, das hast du jetzt schon dreimal gesagt. Aber was sollen wir jetzt tun? Sollen wir ihnen trotzdem Geld anbieten? Fuck, was sollen wir tun?«
    »Will, ich kann dich verstehen, aber du musst dich beruhigen. Wenn wir diese Sache durchstehen und Beth zurückholen wollen, müssen wir möglichst klar denken.«
    Das »Wenn« erschreckte Will. Er schwieg.
    Sie waren in Wills und Beths Wohnung. Nirgendwo waren Spuren eines Einbruchs zu erkennen. Alles sah aus wie immer. Nur schienen die Decke und die Wände jetzt Kälte auszuströmen: Beth fehlte.
    »Jetzt lass uns durchgehen, was wir haben. Wir wissen: Ihre oberste Priorität ist es, die Polizei aus dem Spiel zu halten; das haben sie in ihrer ersten Nachricht gesagt. Sie sagen außerdem, dass es nicht um Geld geht. Aber warum ist ihnen so viel daran gelegen, die Polizei draußen zu halten? Sie müssen bluffen. Denken wir an deine E-Mail-Adresse. Wer hat die?«
    »Jeder! Die E-Mail-Adressen aller Times- Mitarbeiter sind nach dem gleichen Muster angelegt. Jeder kann sie sich mühelos zusammenreimen.«
    Ein Telefon klingelte; Will riss sein Handy heraus und drückte panisch auf die Tasten, aber es klingelte weiter. Gelassen holte sein Vater sein Telefon hervor und meldete sich. »Diensdich«, formte er lautlos mit dem Mund und zog sich ins Nebenzimmer zurück, um ungestört zu telefonieren.
    Sein Vater war keine Hilfe. Was er an Beistand anzubieten hatte, war entschieden von der männlichen Art – eher pragmatisch als emotional –, und damit kamen sie nicht weiter. Will merkte, wie sehr er seine Mutter vermisste. Seit er mit Beth zusammen war, hatte er diese Empfindung nur noch selten verspürt; jetzt war seine Frau diejenige, der er sich anvertraute. Aber lange Zeit hatte seine Mutter diese Rolle gespielt.
    In England waren sie ein Team gewesen, vereint durch gemeinsame Einsamkeit. Zumindest nach der Version seiner Mutter waren sie und Will von seinem Vater verlassen worden und hatten selbst für sich sorgen müssen. Er wusste, dass es auch andere Darstellungen gab, auch wenn sein Vater nicht versessen darauf war, die seine zu offenbaren. Die Ehe seiner Eltern, und was aus ihr geworden war, war schon immer ein Rätsel für Will Monroe gewesen. Er hatte nie genau erfahren, was geschehen war.
    Einer Version zufolge hatte Monroe Sr. seine Karriere über seine Familie gestellt: Die junge Ehe war an übermäßiger Arbeit zerbrochen. Nach einer anderen Theorie war die Geographie schuld: Die Frau hatte Heimweh nach England, der Mann war entschlossen, in der amerikanischen Justiz Karriere zu machen, und weigerte sich, die Staaten zu verlassen. Wills Großmutter mütterlicherseits, eine Lady aus Hampshire mit silbernem Haar und einem strengen Gesicht, das dem Jungen Angst eingejagt hatte, als er sie das erste Mal sah – und noch Jahre danach –, sprach einmal dunkel von der »anderen großen Leidenschaft« im Leben seines Vaters. Als er alt genug für weitere Nachfragen war, hatte seine Großmutter nur die Achseln gezuckt, und bis heute wusste er nicht, ob diese »große Leidenschaft« einer anderen Frau oder der Justiz galt.
    Wills eigene Erinnerungen nutzten ihm wenig. Er war noch nicht einmal sieben gewesen, als sich seine Eltern immer mehr auseinander lebten. Er erinnerte sich an die Atmosphäre, die Trauer, die sich herabsenkte, wenn sein Vater hinausstürmte und die Tür zuknallte. Oder an den Schock, als er seiner Mutter über den Weg lief, die

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