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Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Besetzung Karthagos, und 442 folgte ein echter Friedensvertrag. Roms Kaiser Valentinian III . versprach Geiserich sogar seine Tochter Eudocia zur Vermählung mit dessen Sohn Hunerich.
    Pech nur, dass Geiserichs Vertragstreue einer eigenwilligen Rechtsauslegung unterlag. Als Valentinian im März 455 in Rom ermordet wurde, betrachtete Geiserich den Vertrag als erledigt. Mit einer riesigen Flotte, verstärkt durch maurische Kampftruppen, segelte er übers Meer zur Mündung des Tibers. Am 2. Juni 455 überfiel er Rom. Zwei Wochen lang wurde die gesellschaftliche und kirchliche Metropole des Imperiums geplündert; zum dritten Mal in ihrer bis dahin über tausendjährigen Geschichte musste sich die Ewige Stadt fremden Invasoren ergeben.
    Die Vandalen griffen nach allem, was nicht niet- und nagelfest war. Sie sackten Kulturgüter, Statuen und Kirchenschmuck ein, sie plünderten Wohnhäuser und Paläste, sie stahlen Herrschaftssymbole und kostbare Beutestücke. Sie nahmen Senatoren und römische Honoratioren, aber auch einfache Handwerker als Geiseln und verschleppten sie in ihr Reich. Unter den Entführten war auch die Kaiserwitwe Eudoxia und deren Tochter Eudocia, die zwischenzeitlich Roms Übergangskaiser Petronius Maximus als Braut für seinen Sohn Palladius eingeplant hatte.
    Es war diese zweiwöchige Diebestour, die während der Französischen Revolution rund 1300 Jahre später den bis heute international geläufigen Begriff »Vandalismus« prägte. Dabei stimmt das Bild nicht einmal richtig: Wahlloses Morden und Brandstiften, Exzesse und Gewaltorgien fanden kaum statt. Die Vandalen schändeten nicht in blinder Zerstörungswut Kunst- und Kulturgüter, sondern plünderten gezielt und systematisch. Sie nahmen alles, was gut und wertvoll zu sein schien, beispielsweise auch den unter Titus im Jahr 70 erbeuteten Tempelschatz von Jerusalem. Zurückgekehrt in ihr Reich, gingen sie mit den Kunstschätzen zum Teil sogar sehr sorgsam um. Die jüdischen Reichtümer etwa wurden bei der Rückeroberung Karthagos wohlbehalten entdeckt.
    Bis dahin sollte es aber noch eine Weile dauern. Im Jahr 468 gelang es Geiserich, Militäraktionen beider Römischer Reiche, Ost und West, gegen ihn erfolgreich zurückzuschlagen. Dabei vernichtete er fast die gesamte Flotte der oströmischen Gegner. Erst am 24. Januar 477 starb Geiserich – 37 Jahre, 3 Monate und 6 Tage nach der Besetzung Karthagos und der Gründung eines quasi »souveränen völkerrechtlich unabhängigen Barbarenstaates« (Castritius) auf römischem Boden. Auf ihn folgten sein Sohn Hunerich (477 bis 484), der sich ähnlich weitblickend und strategisch klug verhielt wie sein Vater, sowie mehrere Enkel. Doch das Vandalenreich konnten sie nicht nachhaltig sichern.
    Im Jahr 533 eroberten oströmische Truppen unter ihrem Feldherrn Belisar Karthago zurück. Eine Ära war beendet: Hundert Jahre hatte es gedauert, bis das eigenständige Reich der Vandalen von der Karte der Geschichte verschwunden war.

Salomonischer Barbar
    Theoderich der Große, der Ostgote auf Italiens Thron, herrschte vom Balkan bis Spanien. Nach seinem Tod aber ging sein Volk zugrunde.
    Von Annette Bruhns
    Zwei Wächter hielten den zum Gelage angereisten Fürsten an den Armen fest. Dann zückte der Gastgeber das Schwert. »Wo ist Gott?«, rief der überrumpelte Gast entsetzt aus. Im nächsten Moment spaltete ihn ein Hieb vom Kopf bis zur Hüfte. Befriedigt knurrte der Meuchelmörder: »Nicht einmal Knochen hat der Schuft im Leib!«
    Mit dieser entsetzlichen Tat soll Gotenkönig Theoderich seinem Widersacher Odoaker die Regentschaft in Italien abgenommen haben. Die Einladung zum Gastmahl entpuppte sich als Falle, in die der Rivale ahnungslos getappt war. Hinterher rechtfertigte sich der Gote zwar, er habe eine Königsfamilie rächen wollen, der Odoaker übel zugesetzt hatte. Doch Theoderich wütete nicht minder: Auch Odoakers Gefolgsleute wurden umgebracht; Gattin Sinigulda ließ man verhungern.
    Der Machtkampf zwischen Theoderich und Odoaker um Italien tobte damals schon fünf Jahre. Letzter Stand vor der grausigen Tat war ein Patt: Der Vertrag, den der Bischof von Ravenna zwischen den Parteien erst drei Wochen zuvor, am 25. Februar 493, verhandelt hatte, sah vor, dass sich beide Barbarenfürsten die Herrschaft teilen sollten. Eine Vorstellung, die dem Ostgoten nicht schmecken konnte – Theoderich brauchte Land und Sicherheit, um sein durch Kämpfe, Wanderschaft und Entbehrungen erschöpftes Volk

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