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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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sagte zu ihrer größten Überraschung:
    »Du wirst es nicht glauben, mein lieber Gaius Sempronius, wen ich hier neulich im Hafen gesehen habe. Niemals vergesse ich diesen Kerl und du wirst dich auch an ihn erinnern. Er sieht aus wie Polyphem… ein Riese mit einem Auge. Als wir damals fliehen wollten, weißt du noch, am Tor dieses Germanenhofes… da griff er uns mit einer Rotte von Schlagetots an. Sie hätten mich beinahe umgebracht.«
    »Wer sollte sich nicht an den erinnern?«, sagte Gaius und tauschte einen Blick mit Nelda, die neben ihm stand.
    »Frag ihn, ob er allein war!«, flüsterte sie.
    »Er war nicht allein«, sagte der Alte, der die Frage gehört hatte. »Ein ganzer Haufen war um ihn herum.«
    »War ein Rothaariger dabei?«, fragte Nelda nun laut, ihre Stimme verstellend.
    »Ein Rothaariger? Vielleicht. Rothaarig sind doch viele dieser Barbaren, darauf habe ich nicht geachtet. Es waren sechs oder sieben. Sie schienen nach einem Schiffer Ausschau zu halten, der sie den Moenus hinaufbrachte. Wer weiß, was die vorhatten. Friedlich sahen die nicht aus, sie hatten Äxte und Messer am Gürtel.«
    »Weißt du noch, wann du sie gesehen hast?«, fragte Nelda.
    »Vor drei, vier Tagen. Warum?« Der Negotiator kniff die kurzsichtigen Augen zusammen und musterte die als Mann Verkleidete, die mit dem Spitznamen Callidus, Schlaukopf, angeredet wurde.
    »Die Männer sind aus Luni geflohen«, sagte Gaius rasch, bevor der Alte misstrauisch werden oder Nelda wiedererkennen konnte. »Callidus fragt, weil wir nach ihnen Ausschau halten sollen – nebenbei, versteht sich.«
    »Da kommt ihr zu spät. Die sind über alle Berge. Vielleicht wollen sie wieder dorthin zurück, wo sie herkamen. Aber ob dort noch jemand ist? Alles soll zerstört worden sein. Den Alten, ihren Häuptling, hatten sie damals herübergebracht, als es noch einmal brenzlig wurde für die da drüben, er lebte noch eine Weile auf einem Gut hier in der Nähe. War sein Name nicht Segestes?«
    »Er lebte, sagst du… So ist er gestorben?«, fragte Gaius.
    »Freilich ist er gestorben, schon vor über einem Jahr. War ja längst Zeit für ihn. Sein Verstand hatte auch gelitten. Er soll immer am Tor gestanden und allen möglichen Unsinn geschrien haben. ›Ich habe ein Recht auf meine Tochter!‹ und ›Ich liefere sie nicht aus – eher bringe ich sie um!‹ Und Lanzen soll er auf seine eigenen Leute geschleudert haben, man musste ihn fesseln. Er hatte das Gut nur zum Nießbrauch. Ich kaufte es und konnte es sehr günstig veräußern.«
    Nelda hatte ihrem Vater nicht verziehen, und sie bereute es nicht. Aber sie konnte ihm nun nicht mehr gram sein. Sein Leben war das eines aufrechten Mannes gewesen, der für eine Überzeugung gelebt und alles getan hatte, um durchzusetzen, was er für gut und richtig hielt. Dass er dabei auch die Macht zu nutzen versuchte, die er über die Mitglieder seiner Familie hatte, war selbstverständlich. Und wäre sie nicht ohne Widerspruch die Frau des freundlichen, liebenswerten Gaius Sempronius geworden, wenn da nicht die stärkere Macht einer großen Liebe am Ende gesiegt hätte? Sie konnte ihrem Vater nicht vorwerfen, dass er sich einer solchen Macht nicht gebeugt hatte, die er nicht anerkannte und die es für ihn gar nicht gab und nicht geben durfte. Er hatte sie bekämpft, obwohl er sie nicht wahrnehmen konnte, und vergebens war jeder Versuch gewesen, ihm die Augen zu öffnen.
    Gaius ging das Ende seines alten germanischen Freundes sehr nahe. Er beschloss, den Manen des Verstorbenen, der auch ein so großer Freund des römischen Volkes gewesen war, nach seiner Rückkehr in Rom einen Stein zu setzen und ihnen regelmäßig Opfer zu bringen. Er brachte noch am selben Tag in Erfahrung, dass man den Toten nach germanischem Brauch verbrannt und die Asche auf Anordnung der römischen Behörden in ein Kolumbarium überführt hatte. Gaius wollte dem Oberbefehlshaber des Militärstützpunktes in den nächsten Tagen seine Aufwartung machen und bei dieser Gelegenheit die Erlaubnis erbitten, die Urne bei seiner Rückkehr mitnehmen zu dürfen.
    Der Negotiator hatte die Ankömmlinge zunächst in einer Herberge untergebracht, doch der römische Aristokrat beabsichtigte, hier nicht lange zu bleiben und auf das Gut eines Gastfreundes weiterzureisen. Er wollte aber die wichtigsten geschäftlichen Angelegenheiten – es ging wieder um Grundstückskäufe – zuvor erledigen. In der schnellen, gut gefederten und gepolsterten carruca des Negotiators

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