Die Germanin
vor ein paar Tagen beklagte sich mein Vater bei meiner Mutter, dass die letzte Reise zum Rhenus wieder nicht erfolgreich gewesen sei und dass ein römischer Senator, den er dort kennen gelernt hatte, nichts mehr von sich hören ließ.«
»Er versuchte, dort jemanden für dich zu finden?«
»Er nahm mich sogar mit, zweimal schon. Einmal nach Mogontiacum und einmal in die Ubierstadt. Überallhin, wo er vornehme Römer traf, schleppte er mich mit. ›Das ist meine Tochter Thusnelda, sie spricht ausgezeichnet Latein und sogar Griechisch, sie kann auch wunderbare Stoffe weben und Tonkrüge formen, sie kennt alle Dichter und Philosophen. So eine findet man nicht leicht ein zweites Mal!‹«
Nelda lachte plötzlich laut auf. Unwillkürlich hatte sie ihren Vater nachgeahmt, seine großspurige Art zu reden, seine Gewohnheit, leicht vorgebeugt dazustehen, die Daumen hinter den Gürtel gehakt. Arminius stimmte in ihr Lachen ein – genau so hatte er Segestes gerade erlebt.
Sein Pferd, das ein wenig abseits graste, hob den Kopf und stellte lauschend die Ohren auf.
»Wir müssen vorsichtig sein«, mahnte Nelda und blickte hinüber zu den Hütten. »Wenn man uns hier zusammen sieht…«
»Wovor fürchtest du dich?«
»Das fragst du noch? Wer bin ich schon? Was würde man von mir denken? Du bist ein großer Mann, ein Kriegsheld. Und du wirst fort sein und wieder werden vielleicht zwei Jahre vergehen… oder noch mehr…«
»Aber du bist doch nicht verlobt. Wir haben uns zufällig hier getroffen…«
»Wer das glauben würde!«
Arminius trat auf sie zu und ergriff ihre Hand.
»Dann sagst du, dass wir uns hier getroffen haben, um ein ernstes Gespräch zu führen. Und dabei seien wir übereingekommen…«
»Was meinst du?«
»Nun, dabei seien wir übereingekommen, es sei höchste Zeit… höchste Zeit…«
»Höchste Zeit? Wofür?«
Er blickte ihr lange in die Augen. Sie wich nicht aus und er spürte einen leichten Druck ihrer Hand, als wollte sie ihm Mut machen.
»… dass ich einen Brautwerber schicke!«, vollendete er.
Sie senkte die Lider und atmete tief.
Aber es folgte kein freudiger Schrei. Sie blieb stumm. Sie stand eine Weile vor ihm, den Kopf ein wenig geneigt, ohne sich zu regen. Das blonde Haar, das unter dem Stirnband hervorquoll, fiel über ihr Gesicht.
Sein breites, erwartungsvolles Lächeln erstarrte.
Sie ließ die rechte Hand in der seinen, legte die linke auf seine Brust und fuhr mit den Fingerspitzen langsam über die Eisenringe des Kettenhemds.
»Aber du ziehst doch in den Krieg«, sagte sie. »Wozu willst du einen Brautwerber schicken?«
»Ich komme wieder«, versicherte er. »Noch in diesem Jahr werde ich zurück sein! Lange bevor es Winter wird.«
»Bevor es Winter wird? Dann ist es vielleicht zu spät. Und überhaupt… es würde vergebens sein… vergebens!«
Sie entzog ihre Hand und warf ihm einen Blick voll tiefer Traurigkeit zu.
»Ich muss jetzt gehen. Meine Mutter…«
»Nein«, sagte er. »Nein, du darfst jetzt nicht gehen! Du darfst nicht. Es ist heraus, ein großer Entschluss ist gefasst. Ich werde dein Mann – du wirst meine Frau sein.«
»Aber du hast ja gar nicht nachgedacht. Es fällt dir in diesem Augenblick ein.«
»Es gibt Entschlüsse, die man treffen muss, ohne nachzudenken. Im Krieg haben mir schon mehrere solcher raschen Entschlüsse das Leben gerettet. Ich habe immer auf mein Heil vertraut. Es setzt mich instand, das Richtige zu tun, auch wenn tausend Gründe dagegen sprechen. Bin ich ein Händler, der die Waage nimmt und sagt: Hier ist ein wunderbares Mädchen, die Liebe, mein Glück – und dort: ihr Vater, der mich nicht mag, der Krieg, der mich umbringen könnte, der Caesar Augustus, dem ich Treue geschworen habe? Noch mehr? Sehr viel! Die Waage des Händlers würde sich nach der falschen Seite senken. Die Waage des Mannes, der auf sein Heil baut, senkt sich zur richtigen! Vertrau mir, Nelda. Bitte vertrau mir… Komm! Wir wollen alles in Ruhe besprechen. Niemand wird uns beobachten.«
Er nahm den Helm ab und nötigte sie, sich mit ihm ins hohe Gras zu setzen. Sie gab ihren Widerstand auf. Die Beine angezogen, die Hände auf den Knien verschränkt, sah sie ihn an, mit großen Augen und glühenden Wangen, und ihre Miene zeigte die ganze Vielfalt ihrer Empfindungen: Erstaunen, Überraschung, Freude, Zweifel, Besorgnis, Hoffnung. Er lag neben ihr hingestreckt, auf einen Ellbogen gestützt. So legte er ihr seinen Plan dar.
Ja, es stand zwar wieder ein Krieg
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