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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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ob Segestes die Wahrheit gesagt oder ihn angelogen hatte. Es ging ihn nichts an, mit wem der seine Tochter verheiratete. Er zog in den Krieg, und dies konnte ein langer, sehr langer blutiger Krieg werden. Ungewiss war, ob er jemals hierher zurückkehren würde.
    Am Fuße des Hügels holte er den Trupp mit den Neuverpflichteten ein und ritt an die Spitze. Hinter sich hörte er seinen Bruder brüllen und schnauzen. Die acht bekamen schon mal einen Vorgeschmack davon, was sie im Ausbildungslager erwartete. Flavus verfügte über die rohe Natur und den beschränkten Verstand eines brauchbaren Unterführers. Die römische Armee war seine Heimat, seinen Vorgesetzten war er bedingungslos ergeben. Nur wenig gab er auf seine Herkunft und seine Stammesgenossen waren ihm gleichgültig. Arminius liebte seinen Bruder nicht besonders, der ihn auch nicht liebte, des höheren Ranges wegen aber achtete. Gemeinsam hatten sie auf dem Weg zur Armee noch einmal den Vater besucht und ihn sehr elend auf dem Krankenlager angetroffen. Flavus hatte gleich klar gemacht, dass er im Ernstfall nicht in den Cheruskergau zurückkehren und Segimers vernachlässigten Wehrhof übernehmen würde. Dies sei nun einmal Sache des ältesten Sohnes. Er hatte jedoch die Schlüssel zu den Truhen verlangt, den Familienschatz besichtigt und seine Ansprüche angemeldet.
    Anfangs ließ Arminius sein Pferd im Schritt gehen. Aber als Flavus hinter ihm begann, den »Neuen« mit seiner rauen, stets etwas heiseren Stimme von seinen Taten beim Sturm auf eine illyrische Bergfestung zu berichten, setzte er es in Trab, damit er die sattsam bekannten Geschichten nicht noch einmal hören musste. Er war bald etwa zweihundert Schritte voraus. Der vom Regen aufgeweichte, kaum noch erkennbare Weg führte durch ein von Frühlingsstürmen verwüstetes Wäldchen. Immer wieder musste das Pferd umgestürzte Bäume überspringen und Haufen verrotteter Zweige und Blätter ausweichen.
    Arminius saß abermals ab, um das Tier am Zügel zu führen. Im selben Augenblick tauchte vor ihm plötzlich ein kleiner barfüßiger Knabe auf.
    »Bist du Arminius?«, krähte er.
    »Der bin ich. Woher kennst du mich? Was willst du?«
    »Das soll ich dir geben!«
    Der Junge streckte einen Arm aus und hielt ihm etwas entgegen, das auf den ersten Blick wie ein Kästchen aussah. Erst als er es in der Hand hatte, stellte Arminius fest, dass es sich um einen winzigen, handtellergroßen Kodex handelte. Er klappte die Täfelchen auseinander und las, zierlich in das Wachs geritzt, die folgende Botschaft:
    »Wenn du jemanden wiedersehen und Dank empfangen willst, wirst du erwartet. Der Knabe wird dich führen.«
    Arminius las die Worte langsam, wobei er murmelnd die Lippen bewegte. Er sprach die lateinische Sprache fließend, doch mit dem Lesen und Schreiben hatte er Mühe. Er las zum zweiten Mal und kurz blitzte die Erinnerung an eine Vorschrift auf, die besagte, dass römische Militärpersonen sich in fremdem Gebiet nur in größeren Gruppen bewegen sollten, weil Feinde versuchen könnten, sie einzeln in Hinterhalte zu locken. Er befand sich zwar in seiner Heimat, aber wie fremd war diese inzwischen geworden. Vielen Cheruskern galten die Männer in römischen Diensten nach wie vor als Verräter und mancher hatte Vertrauensseligkeit mit dem Leben gebüßt.
    Doch gab es hier weit und breit irgendjemand, der ihn schriftlich einladen konnte, in die Falle zu gehen? Nein, diese Botschaft konnte nur einen einzigen Absender haben! Das wurde ihm auch sogleich bestätigt.
    Der Knabe blickte unmutig zu ihm auf und sagte: »Kommst du nun endlich? Nelda wartet schon lange. Sie hat Angst. Ihre Mutter wird böse werden!«
    »Ich komme ja«, rief Arminias lachend. »Vorwärts!«
    Der Knabe rannte los und Arminius, das Pferd am Zügel hinter sich her ziehend, folgte ihm in eine Schneise, die zunächst geradeaus durch dichten Tannenwald, dann aber nach mehreren Biegungen zu einer Lichtung führte, die locker von Eichen und Buchen umstanden war. Zwischen den Bäumen sah man in kurzer Entfernung die Strohdächer von Bauernhütten. Über einigen kräuselte sich Rauch.
    Arminius trat auf die Lichtung hinaus. Er schob den Helm in den Nacken und sah sich verwundert um. Der Knabe, den er so lange nicht aus den Augen verloren hatte, war verschwunden. Schon wollte abermals Argwohn aufsteigen. Hinter jedem der uralten Baumriesen, die ihn im weiten Kreis umstanden, konnte ein Speerwerfer oder ein Pfeilschütze lauern. Eine ganze Horde

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