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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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bevor, aber das bedeutete keineswegs, dass er selbst in die Kämpfe eingreifen würde. Zurzeit war er damit beauftragt, die Hilfstruppen mit neuen Kämpfern zu versorgen. Er musste sie zur Ausbildung in ein Lager bringen. Darüber würde Zeit vergehen und der Krieg könnte schon zu Ende sein, wenn er bei der Armee eintraf, um sein Kommando zu übernehmen. Danach aber wollte er sogleich seinen Abschied nehmen und heimkehren. Er zweifelte nicht, dass er ihn erhalten würde. Sein Vater war schwer krank, konnte sterben. Es war nicht im Interesse der Römer, dass in einem der wichtigsten Gaue im Land der Cherusker Unordnung herrschte und es vielleicht erneut zu Aufständen kam. Schon jetzt lag infolge der Schwäche seines Vaters und der Sorglosigkeit seines Onkels Inguiomer manches im Argen. Da gab es viel Arbeit und ein Mann, der das alles anpacken musste, brauchte an seiner Seite eine tüchtige Frau.
    »Du siehst«, schloss Arminius, »die rasche Entscheidung ist in Wirklichkeit das Ergebnis gründlicher Überlegungen. Nur wer das sein würde… die tüchtige Hausherrin an meiner Seite – das wusste ich bis heute nicht. Jetzt weiß ich es! Ich weiß es seit dem Augenblick, als du dort zwischen den Bäumen hervorkamst.«
    Sie streckte sich neben ihm aus und eine Weile lagen sie so im Gras, die Blicke in einander versenkt, die Hände des anderen haltend und streichelnd. Sie wagten auch ein paar zarte Küsse, noch unsicher, ob sie berechtigt waren, sich bereits so viel herauszunehmen. Jetzt aber an mehr zu denken, war einem Germanen und einer Germanin nicht erlaubt.
    Zu sagen gab es nichts mehr. Beide wussten, was ihnen bevorstand. Sie wussten, was alles zu tun sein würde, wie viele Hindernisse es zu überwinden galt, wenn sie das Glück, das so überraschend greifbar erschien, festhalten wollten.
    Es blieb ihnen nicht einmal die Zeit, die süße Behaglichkeit dieses Augenblicks der Vorfreude auszukosten.
    Plötzlich hörten sie Männerstimmen.
    »Seht… ein schönes Pferd und kein Reiter!«
    Arminius hob den Kopf und sah auf der anderen Seite der Lichtung drei junge Kerle in Bauernkitteln aus dem Wald hervortreten. Das Pferd hatte sich grasend dorthin bewegt, sie brauchten nur wenige Schritte, um es am Zügel zu fassen und fortzuziehen. Der Mutigste von ihnen war schon ganz nahe.
    »Versteck dich. Bring dich in Sicherheit«, flüsterte Arminius.
    Er sprang auf und setzte den Helm auf. Nelda kroch im kniehohen Gras zum Waldrand.
    »Pferdediebe?«, rief er. »Wartet! Ich habe euch etwas zu sagen!«
    Die drei erstarrten, sahen sich an und schienen einen Augenblick zu überlegen, ob sie es gegen einen einzelnen Römer aufnehmen konnten. Nur einer hatte einen Knüppel in der Hand.
    »Ihr kommt mir gerade recht«, fuhr Arminius, der das Pferd schon fast erreicht hatte, in der Sprache des Cheruskerstammes fort. »Ich suche Leute für die Armee. Solche wie euch kann ich brauchen. Strolchen und Dieben bringt man bei uns gute Sitten bei. Wir werden euch gleich mitnehmen. Kommt heraus, Männer, schnell, ich habe welche!«
    Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus.
    Im nächsten Augenblick waren die drei im Gebüsch verschwunden.
    »Damit hat man immer Erfolg«, murmelte Arminius lachend.
    Er sah sich nach Nelda um. Schon ein gutes Stück entfernt bemerkte er ihre wehende blonde Mähne zwischen den Bäumen.
    Sie lief auf das Dorf zu.
    »Und nun nach Hause!«, sagte er laut zu sich selbst. »Noch einmal, vielleicht zum letzten Mal, gibt es etwas für dich zu tun, Vater!«

 
8
     
    Nelda sehnte das Ereignis herbei, das Arminius angekündigt hatte, doch es ließ auf sich warten.
    Der Winter verging und erst im späten Frühjahr erschien der greise, gebrechliche, von einer schweren Krankheit gezeichnete Segimer an der Spitze seines Gefolges. Sein jüngerer Bruder Inguiomer, ein kraftstrotzender, unstet und reizbar wirkender Mann mit einem groben, stark geröteten Gesicht, begleitete ihn. Zwei hoch mit Brautgeschenken beladene Wagen fuhren auf den Wehrhof ein.
    Segestes war gerade von einer Reise an den Rhenus zurückgekehrt. Der berühmte Publius Quinctilius Varus war dort als legatus Augusti pro praetore, als neuer Statthalter für Germanien, eingetroffen und hatte die wichtigsten Anführer der Verbündeten zu einer ersten Lagebesprechung nach Mogontiacum beordert. Segestes hatte einen römischen Baumeister mitgebracht, der ihm anstelle seines alten Wohnstallhauses ein Herrenhaus im römischen Stil

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