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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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wütender Römerfeinde konnte im nächsten Augenblick hervorbrechen und sich auf ihn stürzen.
    Doch dann trat hinter einer der Eichen ein Mädchen mit blonden Haaren, im knappen Hemd und kurzen Rock hervor, lächelte verlegen und kam auf ihn zu.
    Arminius wollte zunächst seinen Augen nicht trauen. War das wirklich das schmale, zarte Geschöpf mit dem kindlich aufgeworfenen Mund, das er in Erinnerung hatte? War das die hübsche, linkische, traurige und verheulte Kleine, für die er damals so großes Mitleid empfunden hatte? Die da auf ihn zu schritt, hoch aufgerichtet und stolz, den schönen Kopf mit dem auf die Schultern fallenden Haar ein wenig zur Seite geneigt, mit ihren kräftigen, langen, gebräunten Beinen das hohe Gras pflügend, war – eine junge Göttin. So musste eine germanische Göttin aussehen, nähme sie menschliche Gestalt an.
    Er war so überwältigt, dass er sich im ersten Augenblick nicht von der Stelle rührte. Als er auf sie zugehen wollte, stand sie fast vor ihm. Er ließ die Zügel los und streckte ihr beide Hände entgegen. Nelda ergriff sie ohne Zögern und Scheu.
    Sie sahen sich in die Augen und vor Freude auf der einen und Überraschung auf der anderen Seite fiel keinem von ihnen das erste Wort ein.
    Doch endlich räusperte sich Arminius und sagte: »Wie froh bin ich, dass ich dich doch noch sehe. Das hatte ich nicht mehr erhofft.«
    »Und ich hatte schon Angst«, sagte Nelda, »dass ich dich überhaupt nie wiedersehen würde.«
    Sie entzog ihm ihre Hände. Plötzlich fand sie es zu kühn, ihre Gefühle so offen zu zeigen.
    Der kleine Knabe rannte über die Wiese.
    »Aber sage nichts meiner Mutter, Hadu!«, rief Nelda. »Kein Wort!«
    Arminius zog eine Münze hervor und warf sie dem Kleinen zu.
    »Hier! Damit du den Mund hältst!«
    Das struppige Kerlchen fing das Geldstück geschickt und sprang zwischen den Bäumen davon, in Richtung Dorf.
    »Ob das richtig war?«, fragte sie. »Jetzt wird er damit groß tun und alles erzählen.«
    »Und wenn er alles erzählt…?«
    Er betrachtete sie. Er konnte sich noch immer nicht von diesem unerwarteten Anblick lösen.
    Nelda bückte sich, pflückte eine Blume, roch an der gelben Blüte, zupfte Blätter aus.
    »Meine Mutter weiß ja nicht, wo ich bin. Sie wird sich schon Sorgen machen. Sie ließ sich die Webhäuser zeigen und ich hab mich derweil davongestohlen. Eigentlich wollte ich dir nur danken. Ein herrliches Pferd. Und ich dachte, du hättest mich vergessen.«
    »Hast du schon einen Ausritt gemacht?«
    »Nein, noch nicht…«
    »Dein Vater erlaubt es nicht. Ist es so?«
    Sie zögerte mit der Antwort.
    »Ja«, sagte sie seufzend, »so ist es. Ich soll nicht einmal wissen, dass das Pferd ein Geschenk von dir ist. Er sagte mir, er hätte es bei einem Pferdehändler gekauft, der gestern mit euch auf dem Wehrhof war. Aber ich hatte schon vorher die Wahrheit erfahren. Ich danke dir nochmals.«
    Sie küsste ihn auf die Wange und wollte sich rasch wieder abwenden. Aber er packte sie mit beiden Armen und hielt sie fest.
    »Ist es wahr, dass er dich verheiraten will? An einen Römer?«
    Einen Atemzug lang ließ sie sich so halten und sah, wie sich die Brauen über seinen hellen Augen zusammenzogen und die tiefe, schräge Falte auf seiner Stirn erschien.
    »Ist es wahr? So antworte mir doch!«
    »Lass mich erst los«, bat sie. »Wenn jemand uns sähe… Die Leute vom Dorf suchen Holz, sie…«
    »Sollen sie uns sehen! Aber sag mir die Wahrheit!«
    Er gab sie frei.
    Sie entfernte sich ein paar Schritte von ihm und bückte sich wieder nach Blumen.
    »Hat er dir das erzählt?«
    »Ja. Angeblich ist er sich mit dem Vater schon einig. In ein paar Monaten, sagte er, solle Verlobung sein und dann Hochzeit – in Rom!«
    Sie richtete sich heftig auf und sah ihn fest an.
    »Das ist alles nicht wahr!«
    »Bist du sicher?«
    »Ja. Das hat er erfunden. Ganz gewiss, das hat er erfunden! Ich weiß nicht warum… weiß nicht, warum er dir das erzählt hat. Das wünscht er sich. Seit Jahren schon spricht er davon. Damals, als wir uns zum ersten Mal sahen, musste ich das Gedicht lernen, um den jungen Herren aus Rom zu gefallen. Zum Glück hielt keiner um mich an. Ich hörte auch, dass sie inzwischen verheiratet sind. Auch sonst gibt es niemanden.«
    »Vielleicht weißt du es nur noch nicht. Er hält es vor dir geheim.«
    »Doch, ich weiß es. So wie wir leben, lassen sich schlecht Geheimnisse hüten. Abends, auf der Schlafbank, reden sie und man hört manches mit. Erst

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