Die Germanin
errichten sollte. Hier hoffte er, seine mächtigen Gönner – vielleicht sogar eines Tages den Caesar Augustus – zu empfangen. Während er mit dem Baumeister beratschlagte und Knechten Anweisungen gab, die Steine zum Wehrhof heraufbringen sollten, meldeten ihm die Torwächter die Ankömmlinge.
»Segimer und Inguiomer?«, fragte Segestes. »Was wollen sie? Sind sie bewaffnet? Haben sie ein großes Gefolge bei sich?«
»Das ja«, sagte der Torwächter. »Aber sie bringen Geschenke, kommen in friedlicher Absicht. Als Brautwerber!«
»Bei Donars Hammer! Das hätte ich ahnen sollen!«
Segestes eilte ins Haus.
Dort saß Nelda zwischen den Frauen und Mädchen bei einer Näharbeit.
»Hört alle her!«, rief Segestes. »Da kommen unsere Nachbarn Segimer und Inguiomer. Sie haben ein Anliegen, aber das geht euch nichts an. Das mache ich mit ihnen allein ab. Ihr bleibt alle im Haus… vor allem du, Nelda! Dass du dich nicht blicken lässt! Bring mir mein Festgewand, Frau, ich muss die Männer würdig empfangen.«
Frau Male eilte davon. Nelda begriff sofort, warum sie versteckt bleiben sollte. Das war der Augenblick, auf den sich ihre ganze Hoffnung gerichtet hatte. Doch die finstere Miene ihres Vaters verhieß nichts Gutes. Sie bekam ein paar Fetzen der Unterredung mit, die er mit ihrer Mutter führte, während sie ihm in den Mantel half und mit dem Kamm seine wirren Haare glättete.
»Eine peinliche Lage«, sagte Segestes. »Die vornehmsten Männer unseres Volkes… eine hohe Ehre, wahrhaftig, indessen…«
»Wird er für seinen Ältesten werben?«, fragte Frau Male.
»Für wen sonst? Dabei hatte ich dem längst klar gemacht…«
»Ein schöner, stattlicher Mann.«
»Ach, was verstehst du schon, Frau. Ich werde versuchen, sie schnell wieder loszuwerden. Und du, bring den Willkommenstrunk.«
Segestes versammelte seine vornehmsten Gefolgsleute und ging den Ankömmlingen entgegen. Nachdem man sich umarmt hatte und die Becher mit Met geleert waren, nahmen Segestes, Segimer und Inguiomer auf den Bänken neben dem Hause Platz. Die Gefolgsleute umstanden sie im Halbkreis. Segimer, der bleich und abgezehrt war und sich schwer auf einen Stock stützte, hielt sich nicht mit einer langen Einleitung auf.
»Mein Vetter und Nachbar«, begann er. »Wie du mich hier siehst, verstehst du, dass ich müde und der Ruhe bedürftig bin. Den Stürmen dieser Zeit bin ich nicht mehr gewachsen. Ich werde meinem ältesten Sohn die Herrschaft über meinen Hof und die Führung der Sippe übertragen. Wie jeder weiß, ist Segifrit, der sich als römischer Offizier Arminius nennt, ein tüchtiger, weithin berühmter Mann. Demnächst wird er seinen Abschied nehmen und hierher in die Cheruskergaue zurückkehren, auf den Platz, der ihm zusteht. Niemand ist so wie er berufen, künftig den Stamm der Cherusker zu führen! Doch er benötigt an seiner Seite eine tüchtige Hausfrau. Wie könnte er sonst seine Pflichten erfüllen und für den Fortbestand unseres Geschlechts sorgen. Er hat auch schon eine Wahl getroffen. Sie fiel auf deine Tochter Thusnelda, Segestes, die auch ich stets mit Wohlgefallen betrachtet habe. Sie entstammt einer Sippe, mit der wir entfernt verwandt sind und die allgemein unter den Cheruskern geachtet ist. Kurz und gut, ich bin gekommen, um für meinen Sohn die Hand deiner Tochter zu erbitten.«
Nelda hatte alles gehört. Ihr Herz klopfte bis zum Halse. Sie hockte auf der langen Schlafbank neben der Hauswand. Das mit Lehm beworfene Flechtwerk, in dem es viele Ritzen gab, dämpfte die Stimme des Alten kaum. Im Haus war es still, alle spitzten die Ohren und lauschten auf das, was draußen gesprochen wurde.
Die Pause, die nach der Rede Segimers entstand, war lang und quälend. Endlich räusperte sich Segestes. Seine Stimme klang hart, die Worte, die seinem Munde sonst leicht entströmten, kamen stoßweise und bedachtsam.
»Ich danke dir, mein Vetter und Nachbar. So viel Wertschätzung für unsere Sippe tut gut. Es scheint, dass die blutigen Fehden nun endgültig Vergangenheit sind. Eine neue Zeit ist angebrochen, die alten Feindschaften sind erledigt und alles, was hier und heute geschieht, das geschieht im Zeichen der Freundschaft zwischen Germanen und Römern. So tut es mir aufrichtig leid, dass ich dir, mein hoch geschätzter Vetter und Nachbar, eine Antwort geben muss, die dich nicht befriedigen wird. Meine Tochter Thusnelda, um die du für deinen Sohn wirbst, ist nicht mehr frei, sie ist vergeben. Ja, schon im nächsten
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